"Gut, dass ich Sie treffe, Herr Köb!": Der Mumok-Chef nutzt eine spontane Begegnung mit sich selbst für ein zweckdienliches Interview.

Foto: Hendrich
Wie beurteilen Sie den bisherigen Verlauf der Museumsinitiative 07/08?

Ambivalent: Schön, dass es sie spät aber doch überhaupt gibt. Leider wurde sie so umfassend angelegt, dass die zentralen Fragen im Nebel der Komplexität verschwunden sind.

Was ist das zentrale Problem?

Tatsächlich gibt es ja bis auf die inflationsbedingte Unterdotierung kein wirklich virulentes, alle Bundesmuseen betreffendes Problem sondern nur eines der Kunstmuseen, weil es eben deren fünf gibt. Jeder weiß, dass die in der seit Jahren köchelnden und immer wieder aufflammenden, öffentlichen Diskussion fast ausschließlich den Überschneidungen und Doppelgleisigkeiten im Bereich der Moderne und Gegenwartskunst gilt. Das Mumok ist also in diesem Szenario nicht Teil des Problems, sondern genau besehen, dessen Ursache. Die sofortige Erweiterung dieses Museums auf die Größe, die es ihm erlaubt seinen Auftrag in vollem Umfang zu erfüllen, wäre das einfachste Regulativ, um Wildwuchs auf seinem ureigensten Feld einzudämmen und hätte daher natürlich aus meiner Sicht absolute kulturpolitische Priorität. Die Frage an die Politik ist eine sehr einfache: Brauchen und wollen wir ein den internationalen Standards entsprechendes Museum für Gegenwartskunst oder gehen wir einen Sonderweg: Alle Kunstmuseen spielen sozusagen en passant auch noch diesen Part.

Wurde das alles thematisiert?

Die Arbeitskreise der Initiative setzten sich vor allem aus Vertretern der Museen zusammen. Die Diskussionen wurden also von den Betroffenen selbst - die naturgemäß nur eigene Interessen verfolgen - geführt. Sie zeigen keinerlei Neigung, die wirklich relevanten heiklen Punkte anzusprechen, sie verstanden es vielmehr, genau diese zu umschiffen. Die hier erforderlichen kunsthistorischen und museologischen Klärungen können eben nur durch unabhängige Experten vorgenommen werden.

Es gibt doch drei Experten des Ministeriums?

Diese verstehen sich laut Eigendefinition nur als neutrale Moderatoren. Das Bundesministerium hat demgemäß bisher lediglich die Rolle eines Briefkastens für Wünsche, Beschwerden und Bitten gespielt, mit dem Resultat, dass bereits sattsam bekannte, divergente Positionen wieder einmal zu hören waren. Lenkungs-, Klärungs- und Objektivierungsprozesse waren für mich kaum erkennbar. Deshalb kann nur geraten werden, welche Ergebnisse die angekündigte Nachbearbeitung der ziemlich desperaten Materialsammlung bringen wird. Evident ist jedenfalls, dass das österreichische Museum moderner und gegenwärtiger Kunst größenmäßig auf dem Stand eines Entwicklungslandes ist und alle erfolgreichen Museumsneuordnungen in europäischen Metropolen der letzten 30 Jahre die starken Institutionen wie Tate Modern, Reina Sophia, Centre Pompidou, Hamburger Bahnhof zur Folge hatten.

Gerade diese von Ihnen geforderte inhaltliche Debatte halten aber Ihre Kolleginnen und Kollegen der Kunstmuseen mit dem Verweis auf das Wiener Museumswunder und die bunte Vielfalt des Angebots für entbehrlich.

Ja, es gibt dieses sogenannte Wunder, die Vielfalt ist unübersehbar und das Mumok hat dazu beigetragen. Mit rekordverdächtigen Sammlungsaquisitionen und mit einem am Ort konkurrenzlosem Programm, mit Personalen wie jenen von Antonin Artaud, Jeff Wall, John Baldessari, Mike Kelly, Yves Klein, Sigmar Polke, mit Themenausstellungen wie "Why Pictures Now", "X-Screen", "Kunst und Mathematik" oder mit großen Retrospektiven österreichischer, internationaler Künstler wie Zobernig, Rockenschaub und Wurm. Ohne diese Facetten der Gegenwartskunst wäre Wien letztlich trotz Wunder einseitig und provinziell. Es würde ja doch sonst eine vom Publikum inzwischen voll angenommene Moderne dominieren, die im Schnitt ein Dreivierteljahrhundert am Buckel hat. Nicht unerwähnt lassen möchte ich in dem Zusammenhang auch unseren Besucherzuwachs um 70 Prozent, die Einnahmensteigerung um 115 Prozent, die rekordverdächtigen Sammlungszuwächse - im Schnitt jährlich zwei Mio. Euro - alles seit 2002.

Na also, es gibt die Vielfalt und das Mumok trägt seinen Teil dazu bei. Was spricht also gegen die inhaltliche Öffnung aller Museen. Davon profitiert doch nur die Moderne Kunst!

Wenig, ginge es nur um Ausstellungshäuser, viel, wenn es um museale Werte und Nachhaltigkeit geht, die der Quotenjagd der interessantesten Häuser zum Opfer fallen. Ohne klare Aufträge, deren Kontrolle, aber natürlich auch Finanzierung kommen bei einer totalen Erlösabhängigkeit der Museen, wie wir sie inzwischen haben, alle nicht erlösrelevanten Aktivitäten unter die Räder. In der Reihenfolge: Sammeln, Forschen, Ausstellungen gegenwärtiger kritischer, diskursiver, junger Kunst. Genau das sind aber die Kernaufgaben des Mumok. In unserem Programm haben wir deshalb wenig Konkurrenz, weil die anderen sich ja nur die publikumsattraktiven Schmankerln aus unserem Feld heraussuchen. Es stellt sich allerdings noch eine Frage: Was vernachlässigen Museen von ihren eigentlichen Kernaufgaben, wenn sie trotz beschränkter Mittel immer mehr neben ihren Aufträgen arbeiten. Sind diese nicht mehr relevant?

Fehlt also nur das Geld?

Grundsätzlich "Ja". Gäbe es unbeschränkt finanzielle und räumliche Ressourcen, bräuchten wir tatsächlich keine Museumsdebatte. Das System des unkontrollierten Wachstums ist aber leider am Ende. Die Basisabgeltungen decken nicht einmal mehr die Betriebskosten, die Folgen habe ich schon erwähnt. Nur die unverbesserliche Optimisten glauben in der derzeitigen politischen Lage an das große Geld für die Museen bei der nächsten Budgetverhandlung und die Fortsetzung des bisherigen Spieles: Volle Autonomie der Institutionen und keine Einschränkung der Kreativität ihrer Direktoren, der Staat zahlt die Zeche.

Sind also, Sie ausgenommen, alle Direktoren unverbesserliche Optimisten?

Keineswegs, jede, jeder Einzelne hofft aber für sein Museum letztendlich doch den Löwenanteil aus dem gemeinsamen Topf herauszuholen, das heißt schneller und näher an den politischen Entscheidungsträgern zu sein als die Konkurrenz.

Was erhoffen Sie sich in dieser Situation von der Bundesministerin?

Es klingt aus dem Mund eines unverbesserlichen Liberalen vielleicht seltsam, aber ich erhoffe mir letztlich sozialdemokratische Kulturpolitik. In meinem Verständnis wäre das ein Bekenntnis für die Gegenwart und damit für die Zukunft, aber auch für den Forschungs- und Bildungsauftrag der Museen. Von der Managerin erwarte ich mir schlicht und einfach Policy und Governance, also klare Leitlinien und einen nachhaltigen Museumsentwicklungsplan sowie die Objektivierung der politischen Entscheidungsprozesse durch verstärkte Einbeziehung unabhängiger Experten. Zumindest in einem Punkt bin ich einer Meinung mit meinen Kollegen: Erhaltung der bisherigen Autonomie - aber unter geklärten Rahmenbedingungen.

Danke für das Gespräch.