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Sydney Pollack (1934 - 2008)

Foto: REUTERS/Mario Anzuoni/Files
Los Angeles – Nein, die große kinematografische Pranke könne man ihm möglicherweise nicht zuschreiben: "Ich war nie ein großer visueller Stilist", meinte Sydney Pollack einmal in einem Interview. Und in einem anderen: "Ich bin nur eine weitere Nutte der Filmindustrie."

Pollack konnte sich das ironische Spiel mit "schäbigen" Images erlauben. Zur gelassenen Kenntnis der eigenen Limits kam bei ihm ein untrügliches Gespür für das Star- und Erfolgssystem Hollywood, das er einerseits perfekt bediente und andererseits in seinem Aufwand und seiner Bedeutungsseligkeit wohl immer ein wenig anzweifelte.

Es geht oft um brüchig gewordene (Lebens-)Rollen in den Filmen von und mit Sydney Pollack. Egal, ob er nun in seinem vielleicht größten Hit Tootsie (1982) das ewige Komödienthema des Mannes (hier: Dustin Hoffman), der nur als Frau zum erwünschten Ziel kommt, variierte; ob er in Filmen wie Jeremiah Johnson (1972), Die drei Tage des Condor (1975), Der elektrische Reiter (1979) oder Jenseits von Afrika (1985) den Superstar-Status von Robert Redford, bevorzugt gerade durch Demontage, noch weiter festigte; oder ob er in Filmen von Robert Altman (The Player), Woody Allen (Ehemänner und Ehefrauen) oder Stanley Kubrick (Eyes Wide Shut) selbst Protagonisten verkörperte, die mit Lebenslügen durchaus skrupellos leben können:

Der amerikanische "pursuit of happiness" war bei ihm und für ihn immer ein zweischneidiges Schwert – im öffentlichen (bei ihm oft als korrupt dargestellten) Bereich wie auch auch im privaten Leben.

Insofern war wohl schon sein erster mehrfach für Oscars nominierter Film Nur Pferden gibt man den Gnadenschuss (1969) geradezu programmatisch für die Haltung seiner späteren Erfolge: Im Rahmen eines Marathontanzwettbewerbs und mit einem letztlich völlig irrelevanten "Sieg" vor Augen bewegen sich die meisten Charaktere (unter ihnen Jane Fonda) permanent am Rand zum physischen und seelischen Kollaps. Die Musik spielt weiter, aber immer weniger Paare können sich auf der Tanzfläche auch behaupten. Genuss? Der ist da keine Kategorie mehr.

Erfolg trotz Kritik

Mit dieser Einstellung passte Sydney Pollack ganz hervorragend in das sich neu definierende Hollywood der 60er- und 70er-Jahre: Einerseits ließ sich mit Hochglanz längst nicht mehr bruchlos Glamour behaupten. Andererseits war ungebrochen klar, dass steigende Filmbudgets auch entsprechende Stars (und seien sie noch so der desolaten gesellschaftlichen und politischen Situation verpflichtet) und vor allem Besucherzahlen zeitigen müssen.

Zwischen den Arbeiten radikalerer Filmemachern dieses New Hollywood – von Altman über Arthur Penn bis hin zu Allen, Coppola, Spielberg, Scorsese, DePalma – hatten die Filme von Sydney Pollack immer eher den Status kompakter Bestsellerware. Von der Kritik wurden sie denn auch immer wieder scheel betrachtet. Oft schien es so, als würde hier auf der Klaviatur des allgemeinen Krisenbewusstseins nur etwas gefälliger gespielt. Was man aber nicht übersehen sollte: Superhits wie jene von Sydney Pollack – der letzte darunter: Die Firma (1993) mit Tom Cruise – waren nicht zuletzt die solide Basis, die experimentellere Arbeiten ermöglichte.

Wenn zuletzt etwa Sean Penn in seinem Thriller Die Dolmetscherin (2005) mitwirkte oder George Clooney im von Pollack produzierten Thriller Michael Clayton – dann spricht auch daraus Hochachtung für einen integren Handwerker.

Am Montag ist Sydney Pollack 73-jährig in Los Angeles an Krebs gestorben. (Claus Philipp, DER STANDARD/Printausgabe, 28.05.2008)