Das am öftesten vervielfältigte Foto von Alberto Korda ziert Millionen T-Shirts.

Foto: www.shirtpiraten.de

In der Ausstellung "80 Jahre Che Guevara. Das Kultbild einer Generation" im WestLicht steht ganz klar Kordas Bild im Mittelpunkt.

derStandard.at/Schersch

Bücher, Tassen, Schlüsselanhänger, Geldtaschen ... das Angebot mit der Marke Che ist vielfältig.

Foto: www.thechestore.com

René Burri: "Che Guevara mit seiner Zigarre", Havanna 1963 © René Burri / Magnum Photos

Burri/Magnum Photos

Che Guevara fotografiert von René Burri während eines Interviews mit einer Jouralistin der Zeitschrift "Look".

Burri/Magnum Photos

Als Alberto Korda am 5. März 1960 auf den Auslöser seiner Leica M2 drückte, wusste er nicht, was er damit in Gang setzten sollte. Kordas Fotografie von Che Guevara, mit Barett, Bart und entschlossen-sehnsüchtigem Blick in die Ferne, aufgenommen bei einer Trauerfeier, eroberte die Welt.

Wer war Che?

Ernesto Rafael Guevara de la Serna studierte Medizin und wurde in seiner Jugend durch Südamerika-Reisen auf das Elend, indem die Bevölkerung lebte, aufmerksam. Sein Wunsch nach einer gerechteren Welt wuchs, zugleich auch seine Abneigung gegen den Kapitalismus, der für ihn in US-amerikanischen Großkonzernen Gestalt annahm. Che schloss sich im Exil lebenden kubanischen Rebellen an und gehörte unter Fidel Castro zu jener Gruppe, die 1956 den kubanischen Diktator Fulgencio Batista stürzte. Nach dem Erfolg der Revolution wurde Guevara Präsident der Nationalbank, später Industrieminister. Sein Versuch die Revolution in andere Staaten wie dem Kongo oder Bolivien zu exportieren, scheiterte. Am 9. Oktober 1967 wurde er vom bolivianischen Militär, mit Unterstützung des CIA, hingerichtet.

Che und die politisch Linke

Der Arzt und Guerillero Che steht bis heute für den Kampf um Freiheit und Gerechtigkeit, Revolution, den unermüdlichen Glauben an Ideale sowie für den aktiven Versuch, gesellschaftliche Missstände zu beseitigen. Vergessen wird oft seine nicht so rühmliche Seite: die Härte und Gnadenlosigkeit bei Hinrichtungen von politischen Gegnern, Verrätern und Deserteuren aus seinen Reihen. Sein früher und gewaltsamer Tod machten den damals 39-Jährigen zum Volkshelden und Märtyrer. Es dauerte nicht lange und er wurde nicht nur in Südamerika verehrt: Auf Flaggen prangte das berühmte Konterfei bei den Demos der 1968er Bewegung und in den Zimmern von StudentInnen und Jugendlichen. Die politisch Linke sieht in seinem Abbild das Streben nach Unabhängigkeit und Rebellion für eine bessere Welt. Bei vermeintlichen "Che-Verehrern" kursiert aber oft nur eine diffuse Vorstellung über sein Wirken.

Der Mythos lebt

Jakob sitzt im Wiener Museumsquartier auf seinem Skateboard. Der 16-Jährige trägt eine Billabong-Hose und Emerica-Schuhe, die hellbraunen, mittellangen Haare fallen ihm ins Gesicht. Auf die Frage nach der Bedeutung des Che-Abbildes, das sein T-Shirt ziert, spricht Jakob den revolutionären Charakter Guevaras an: "Che hat sich nichts gefallen lassen, er war ein echter Revolutionär, der gegen das Unrecht kämpfte." Fragen, wofür Guevara genau sein Leben ließ, oder ob er andere Personen kenne, die an Ches Seite kämpften, lassen Jakob verstummen. Er trage das T-Shirt, weil er sich gegen ein Leben in "Angepasstheit" auflehne und es die Sinnhaftigkeit, an seine Ideale zu glauben, betone.

Der tote Che: ein Bestseller

Auch, oder gerade deshalb, weil Che-Produkte als Symbol für Nicht-Konformität und als "Gegen-etwas-sein" gelten, lässt sich sein Antlitz so gut vermarkten.

Bei linken Demonstrationen ist Ernesto Guevara heute ebenso gegenwärtig wie bei Festivals oder am Schulhof. Die vage Vorstellung vieler KonsumentInnen lässt die Einnahmen in die Höhe schnellen: Che-Barrets, Che-Shirts, Pullis, Sticker oder Taschen. Hollywood-Stars und Models machen den Che-Style chic. Jonny Depp tut es und auch Gisele Bündchen – sie tragen Che in Hollywood spazieren, ob auf einem T-Shirt oder Bikini ist belanglos. "Es ist besser Che im Inneren zu tragen und nicht äußerlich, in Form eines T-Shirts", meint Camilo Guevara, ältester Sohn Che Guevaras. Der Trend der Vermarktung sei schwer aufzuhalten, "deshalb müsse man aber noch lange nicht alle Che-T-Shirts verbrennen", so Guevara im Gespräch mit derStandard.at

Zur Vermarktung hat zu einem Gutteil auch Ches Äußeres beigetragen, das jugendlich in Erinnerung bleibt, obwohl er bei seinem Tod bereits 39 Jahre alt war. Er wurde gut konserviert, in Bildern, wie jenem von Alberto Korda oder René Burri ("Che Guevara mit seiner Zigarre"), die im Gedächtnis haften bleiben. Die Wiener Galerie WestLicht nimmt den 80. Geburtstag Ernesto Che Guevaras als Anlass für die Ausstellung "80 Jahre Che Guevara. Das Kultbild einer Generation". Neben René Burris Bildern des Zigarre-rauchenden Revolutionärs, steht Kordas legendäre Fotografie im Mittelpunkt. Sein Porträt zählt zu einem der meistgedruckten weltweit und entwickelte sich zu einem festen Bestandteil der Protestkultur.

Hauptsache rebellisch

Im Laufe der Jahrzehnte hat der Freiheitskämpfer nichts an Popularität eingebüßt, lediglich die Assoziationen haben sich geändert. Die "Neue Linke" in den 1960ern wurde aufgrund politischer Motive auf Guevara aufmerksam. Seine Schriften verbreiteten sich zu dieser Zeit im europäischen Raum, er wurde von vielen als Politiker und Revolutionär, zugleich auch als Guerillero bewundert. Denken und Handeln vereint in einer Person. Heute liest selten jemand seine Schriften und jene, die ihn wirklich zu kennen glauben, bilden die Ausnahme. Die Konfrontation mit seinem Abbild findet in der Regel statt, bevor man/frau überhaupt weiß, wer dieser T-Shirt-Held ist. Er begegnet uns auf Taschen, Flyern von Konzerten und bei Demos. Bald wird aber klar: aufrührerisch und unangepasst war er – häufig genau richtig für das pubertäre Alter. Das Symbol für Widerstand lässt sich heute besser vermarkten denn je. Auch wenn es Ernesto Guevara wahrscheinlich nicht gefallen hätte, er avancierte längst zur Marke und entwickelte sich in ein sehr einträgliches Konsumgut. (urs, derStandard.at, 27. Mai 2008)