"Die Abhängigkeit wird beinhart ausgenützt" – Bachinger über die Informationshoheit der Ärzte.

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Er hofft, dass sich die Parlamentarier „nicht vom Streik erpressen lassen“, und plädiert für eine externe Qualitätskontrolle.

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Wien – „Wir wollen das Beste für unsere Patienten“, „wir werden den Patienten erklären was los ist“, „die Patienten werden zu Schaden kommen“: Die Ärzte und ihr Präsident Walter Dorner, von dem diese Zitate stammen, positionieren sich bei der Gesundheitsreform gern als Advokaten jener, die sie tagtäglich behandeln.

Gerald Bachinger, der Sprecher der Patientenanwälte, ist darüber nicht sehr erbaut. Bei der Ärztekammer (ÄK) ist er mittlerweile eine „Persona non grata“, wie er selber meint. „Ich und meine Kollegen, wir sagen den Ärzten immer wieder: Es geht hier um eure Interessen. Ich würde gern inhaltlich über die Gesundheitsreform diskutieren, bis jetzt habe ich aber außer Schlagworten nichts gehört.“

Wie zum Beispiel die Warnung der Ärzte vor der „Verstaatlichung“ des Gesundheitssystems. „Ich bin froh, dass wir nicht in einem vollkommen privaten Gesundheitssystem sind!“, kontert der Patientenanwalt. „Und in einem öffentlichen Gesundheitssystem haben die politischen Organe die Letztverantwortung.“

Was die Information der Patienten über geplante Reformen angeht, seien diese von den Ärzten regelrecht „abhängig“, findet Bachinger: „Wenn man krank in der Ordination sitzt und hofft, dass man vom Herrn Doktor eine ordentliche Behandlung kriegt, wer würde das Patientenbegehren nicht unterschreiben? Diese Abhängigkeit wird beinhart ausgenützt.“ Die „Weltuntergangsszenarien“ der Ärzte würden auf fruchtbaren Boden fallen, denn das Gesundheitsministerium habe zu spät begonnen, „die Hintergründe der Reform zu kommunizieren“.

Protestmaßnahmen finde er grundsätzlich legitim, sagte Bachinger zum Standard. Dass bei den Ordinationsschließungen am 16. Juni aber „jene bestreikt werden, für die etwas gemacht werden soll, also die Patienten – dafür fehlt mir das Verständnis“. Noch dazu, da „den Forderungen der Ärztekammer in einigen Bereichen nachgekommen worden ist“. Bachinger ist überzeugt, dass sich die Abgeordneten, die sich im Sozialausschuss des Nationalrates mit der Regierungsvorlage zur Gesundheitsreform beschäftigen, „nicht vom Streik erpressen lassen“.

Qualitätsvoll ist gleich billig

Inhaltliche Kritik an der Regierungsvorlage gibt es vom Patientenanwalt vor allem dafür, dass bei der Qualitätskontrolle der Ärzte ökonomische Maßstäbe angelegt werden sollen. Diese Vorgabe für Ärzte gebe es jetzt schon – „aber das hat mit Qualitätskriterien nichts zu tun“. „Qualitätsvolle Medizin ist immer die billigste Medizin“, findet Bachinger, denn: „Wenn es ordentliche Qualitätskriterien gibt, dann ist das für das System am billigsten. Die teuerste Medizin ist die nichtqualitätsvolle Medizin, weil die Patienten dann länger behandelt werden müssen.“

Das Argument der Ärztekammer, es gebe durch die „ÖQMed“ – die Gesellschaft für Qualitätssicherung der ÄK – ohnehin schon eine gute Qualitätskontrolle, lässt Bachinger nicht gelten: „Eine Standesvertretung evaluiert ihre Mitglieder – damit sind wir die Lachnummer in Europa. Ich war im wissenschaftlichen Beirat der ÖQMed und habe immer darum gekämpft dass die Qualitätslatte hoch liegt, während die ÖQMed versucht hat, die Latte möglichst tief zu legen.“

Auch im Ministerium, wo laut Gesetzesentwurf die Qualitätskontrolle angesiedelt werden soll, sei diese nicht gut aufgehoben, meint Bachinger. Er plädiert für eine Ausschreibung an Externe – „so wie im stationären Bereich“. (Andrea Heigl/DER STANDARD, Printausgabe, 10.6.2008)