Püsterich: Wofür er gut sein soll, ist unbekannt.

Foto: KHM

Wien – Kein Zweifel: Wilfried Seipel, 1990 zum Generaldirektor bestellt, weckte das Kunsthistorische Museum nicht nur aus dem Dornröschenschlaf, er arbeitete auch konsequent an der Modernisierung des Hauses ("Elektrifizierung!") wie der Neuaufstellung der Sammlungen. Doch nur ein Teil der ehrgeizigen Vorhaben konnte verwirklicht werden: Die Überdachung eines Innenhofs (800 Quadratmeter für Sonderausstellungen) blieb genauso Vision wie eine Erweiterung unter dem Maria-Theresien-Platz samt neuer Eingangssituation (ähnlich dem Louvre in Paris) und direkter Anbindung an das Museumsquartier nebenan.

Es fehlt daher an Depots: Das Museum "platzt aus allen Nähten", wie Seipel feststellen musste. Es fehlt auch der Platz, das Heroon von Trysa, ein imponierendes Monument, in seiner ganzen Pracht aufzustellen. Und die sogenannte "Sekundärgalerie" im zweiten Stock, die den meisten Museen zur Zierde gereichte, gibt es nur mehr als Legende.

Zudem hinterlässt Seipel zwei Baustellen: das Völkerkundemuseum und die bereits seit 2002 geschlossene Kunstkammer, die seit dem Vorjahr von Sabine Haag geleitet wird. Zwar hatte es für die Vollendung der Projekte grünes Licht gegeben: SPÖ-Kulturministerin Claudia Schmied stellte im Herbst 2007 die Mittel in Aussicht.

Doch dann gab sie bekannt, Seipels Vertrag nicht über 2008 hinaus zu verlängern; alle weitreichenden Entscheidungen seien daher mit der neuen Leitung zu besprechen. Obwohl, was Seipel ärgerte, die von einer Unternehmerdynastie gestiftete HKW Privatstiftung Mittel zugesagt hat.

Die Wiedereröffnung der Kunstkammer samt Tapisseriensammlung (Bestand: rund 800 Wandteppiche) auf 2700 Quadratmeter Ausstellungsfläche im Ostflügel des Hauptgebäudes, ursprünglich für 2005 angekündigt, steht daher weiter in den Sternen. Bei der Pressekonferenz am Dienstag bezeichnete Schmied das Projekt als ein vordringliches, doch eine konkrete Summe konnte sie nicht nennen: Die Investitionsmittel des letzten Jahres flossen in andere Vorhaben, die Gespräche mit dem Finanzminister zeitigten noch kein Ergebnis. Man sei sich bloß einig, dass es für die Museen insgesamt mehr Geld geben müsse.

Sabine Haag kann daher nur auf "Schmieds klares Bekenntnis zur Aufstockung des Budgets" bauen. Loslegen könnte sie zusammen mit dem Architekten Hans Hoffer sofort: Die Planungen für die Neuaufstellung (die letzte passierte vor 29 Jahren) sind abgeschlossen. Für die Umsetzung benötige sie ab Zusage der Mittel 36 Monate, so die designierte Generaldirektorin. Die Kunstkammer bleibt also bis auf weiteres geschlossen.

Die ehemalige "Sammlung für Plastik und Kunstgewerbe" verdankt ihre Bedeutung vor allem den hier vereinten Kunst- und Wunderkammern von Erzherzog Ferdinand II. aus Schloss Ambras bei Innsbruck und Kaiser Rudolfs II. aus der Prager Burg sowie der Sammlung von Erzherzog Leopold Wilhelm. Sie besticht durch ihre kunterbunte Vielfalt: Neben Skulpturen aus allerlei Materialien, Bronzeplastiken, Elfenbeinschnitzereien, Gefäßen aus edlen Steinen und Goldschmiedearbeiten werden auch Spiele, Schatullen, Kabinettschränke, Toilettekästchen sowie Uhren, Automaten und hochkomplizierte Instrumente verwahrt.

Wofür der "Püsterich", eine 25 Zentimeter große Bronzefigur aus dem 12. Jahrhundert, gut sein soll, weiß man bis heute nicht genau: Mit Wasser befüllt und in die Glut gesetzt, pustet das Männchen, das vielfach auf KHM-Produkten abgebildet ist, durch kleine Löcher in Mund und Nase Dampf aus.

Das bekannteste Exponat, die "Saliera" von Benvenuto Cellini (ein üppig verziertes Salzfässchen aus Gold und Email) wurde im Mai 2003 von Robert Mang gestohlen: Seipel hatte sie trotz Warnungen in der Gemäldegalerie aufstellen lassen. Anfang 2006 wurde sie unbeschädigt gefunden. (trenk / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12.6.2008)