Prag - Auf Tschechien sollte kein Druck ausgeübt werden, den EU-Reformvertrag rasch zu ratifizieren. Das sagte der tschechische Ministerpräsident Mirek Topolanek laut tschechischer Nachrichtenagentur CTK gegenüber Journalisten am Mittwochabend.

Nach dem Nein der Iren zum Vertrag von Lissabon haben sich zahlreiche Politiker, unter ihnen EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy für eine Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses ausgesprochen. Der SPÖ-Europaabgeordnete und Vizevorsitzende der sozialdemokratischen Fraktion, Hannes Swoboda, forderte dies "insbesondere" von Tschechien, da das Land in der ersten Hälfte 2009 die EU-Ratspräsidentschaft übernimmt.

Vorsichtige Haltung, Aufruf zur Diskussion

Die tschechische Regierung wolle keine "radikale Position" zum EU-Vertrag einnehmen, sagte hingegen Topolanek. "Unsere Haltung ist vorsichtig. Wir rufen zu einer Diskussion in der Europäischen Union und zu Hause auf." Es sei notwendig, die Situation in der EU nach der Ablehnung der Iren bei der Volksabstimmung vor einer Woche zu analysieren. Sich jetzt auf eine weitere Ratifizierung festzulegen, wäre voreilig. Topolanek wörtlich: "Die EU hat eine stabile vertragliche Basis, in deren Rahmen sie auch weiterhin funktionieren kann. In diesem Sinne ist es übereilt, voreilige Schlüsse zu ziehen hinsichtlich einer Ratifizierung des Vertrags in der Tschechischen Republik."

Verfassungsgerichtshof prüft

Topolanek erklärte, der Ratifizierungsprozess im tschechischen Parlament sei unterbrochen worden und daher sei es nicht angemessen, "Druck auf die Tschechische Republik in Richtung einer sofortigen Fortsetzung der Ratifizierung auszuüben". Der Prozess wurde gestoppt, nachdem der tschechische Senat beschlossen hatte, das Dokument vom Verfassungsgerichtshof prüfen zu lassen, ob es nicht im Widerspruch zur Verfassung steht. Wann das Urteil bekanntgegeben wird, ist noch unklar. Mehrere konservative Politiker des Landes wie Staatspräsident Vaclav Klaus und Senatschef Premysl Sobotka betrachten die Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses nach dem irischen Nein als überflüssig.

Die EU-Staats- und Regierungschefs suchen ab Donnerstag in Brüssel einen Ausweg aus der Krise nach der Ablehnung Irlands. Das Reformwerk von Lissabon, das die EU handlungsfähiger und auch demokratischer machen soll, kann nämlich erst in Kraft treten, wenn alle 27 EU-Staaten es ratifiziert haben. Bisher haben dies 18 Länder getan. Das britische Oberhaus sprach sich am Mittwochabend dafür aus, den EU-Vertrag anzunehmen. Am Donnerstagvormittag soll Queen Elizabeth II. der Ratifizierung noch zustimmen. (APA)