Wien - Es war kein "Ulf". Keine der modernen Niederflur-Straßenbahnen, sondern eine alte Bim der Serie E1. Das wurde dem 54-jährigen Georg L. am 20. Dezember des Vorjahres bei der Linie N zum Verhängnis. L. hatte des Abends schwer betrunken bei der hintersten Türe des Triebwagens versucht einzusteigen. Die Tür ging zu, sein Arm wurde eingeklemmt, der Zug fuhr los und L. stürzte zwischen Trieb- und Beiwagen. Erst nach zwei Kilometern und vier Stationen wurde die Leiche L.'s bei den hinteren Rädern entdeckt.

Ob das fahrlässige Tötung durch den Straßenbahnfahrer war, musste Donnerstag im Bezirksgericht Leopoldstadt geklärt werden. Das Urteil: Ein - noch nicht rechtskräftiger - Freispruch. Der Sachverständige Fritz Huber stellte fest, dass der Fahrer keine Chance gehabt habe, den Mann zu sehen. Denn: Die Garnituren der E1-Serie haben außen keine Rückspiegel - noch dazu befindet sich die hintere Türe an jener Stelle, wo sich die Karosserie bereits verjüngt.

Die Wiener Linien hatten lange Zeit behauptet, ein derartiger Vorfall sei wegen der Lichtschranke und der Fühler an der Türkante gar nicht möglich. Zeugen hatten aber vor Gericht genau das bestätigt: Der Arm des Mannes wurde von der Türe eingeklemmt und sie fuhr los. Eine Zeugin hatte dann noch einen Polizisten an der Kreuzung informiert - doch der habe nur "schleicht's euch" gesagt. Richterin Manuela Turcsanyi: "Hoffentlich bringen die Wiener Linien bald überall den Ulf in Gang." (Roman David-Freihsl, DER STANDARD - Printausgabe, 20. Juni 2008)