Wien – Erlaubt ist, was gefällt. Wenn Cecilia Bartoli die Konzertbühne betritt und ihr ein Auftrittsapplaus entgegenschallt, der auch am Konzertende als Erfolg zu werten wäre, ist klar: Wichtig ist, dass sie singt, nicht, was sie singt. Sie, die gerade noch eben herzlich ins Publikum gelacht hat und mit dem ersten Ton des Orchesters in Mimik und Gestik ganz in ihrer jeweiligen Rolle verschwindet, besitzt die im klassischen Musikbereich so seltene Gabe, ihr Publikum um die Finger zu wickeln. Da stehen reihenweise gutsituierte Herren in den besten Jahren auf, um ihr prächtige Blumensträuße zu überreichen, da wird pausenlos geknipst und gegen Ende mit Standing Ovations gejubelt.

Was im Großen Wiener Musikvereinssaal passierte, war ein Popkonzert, nur dass die Musik diesmal halt nicht 20, sondern 200 Jahre alt war. Dass Bartoli dabei nicht nur ihre Stimmbänder, sondern auch die Publikumsemotionen unter Kontrolle hatte, passte zur Thematik des Abends, einer Hommage an die Gesangsvirtuosin Maria Malibran (1808–1836). Die Malibran war ein Popstar der damaligen Opernwelt: glamourös, exzentrisch, in astronomischer Höhe bezahlt.

Bartoli hatte sichtlich ihre Freude, die heute weitgehend vergessenen Arien von Manuel del Pópulo Vicente García oder aus der Feder Malibrans sowie Schmankerln von Rossini zu singen. Ihre phänomenale Technik erlaubt ihr dabei, die Wechsel von gestochen scharf gesungenen Koloraturen und weichem Belcanto nicht nur glaubhaft zu gestalten, sondern als Schaustück zu zelebrieren. Dass sie dabei vom allem im zweiten Teil des Abends übers Ziel hinausschoss und den Goldenen Saal zeitweilig in ein Zirkuszelt verwandelte, war Teil der umjubelten Show. Ebenso virtuos, aber weniger spektakulär auch ihr Widerpart, das von Julia Schröder als Stehgeigerin geleitete Kammerorchester Basel. (Robert Spoula / DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.6.2008)