Lissabon - Das mit Abstand billigste Cannabis Europas gibt es in Spanien zu kaufen. 1,4 Euro kostet das Gramm Harz dort. Zum Vergleich: In Norwegen müssen Drogenkonsumenten beim Dealer 21,5 Euro zahlen. Wer rauchen will, trifft in der EU aber zusehends auf restriktivere Gesetzgebung, zeigt der bisher umfangreichste Bericht zur Cannabis-Situation der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle (EBDD) in Lissabon.

Rechtzeitig zum Welt-Drogen-Tag der UNO hat die EU-Stelle ihren 700 Seiten umfassenden Bericht veröffentlicht. Der Grund für die Konzentration auf eine Substanz: Cannabis ist die mit Abstand am weitesten verbreitete illegalisierte Droge in Europa. 13 Millionen Europäer sollen sich gemäß EBDD-Schätzungen innerhalb der vergangenen vier Wochen damit berauscht haben. Und 70 Millionen Erwachsene haben zumindest einmal in ihrem Leben an einem Joint gezogen.

Der vor allem in den 90er-Jahren stark angestiegene Cannabis-Konsum hat sich im Westen des Kontinents mittlerweile auf hohem Niveau eingependelt. In den zehn neuen EU-Staaten ist allerdings mit Ausnahme Zyperns und Maltas eine weitere Zunahme zu beobachten - bald werden die Werte der "alten" EU erreicht werden, prophezeien die Experten.

Das Angebot scheint überall größer zu werden - oder die Polizei arbeitet immer effektiver. 1025 Tonnen Harz wurden bei 200.000 Sicherstellungen im Jahr 2003 in der EU und Norwegen beschlagnahmt - deutlich mehr als in den fünf Jahren davor. Bei Pflanzen und "Gras" sind die Entwicklungen uneinheitlich: Getrocknete Blüten werden immer weniger gefunden, während bei den Pflanzen ein deutlicher Aufwärtstrend besteht - was an den technischen Möglichkeiten wie Wärmelampen liegt, die Cannabispflanzungen innerhalb von Wohnungen und Lagerhallen erlauben.

Die größten Mengen davon wurden in den Niederlanden beschlagnahmt, gefolgt von Italien und Polen, zeigt der EBDD-Bericht. Dass die Konzentration des Wirkstoffes THC durch diese Heimzüchtungen immer höher wird, kann dagegen nicht pauschal bestätigt werden. Der THC-Gehalt beschlagnahmter Drogen ist über die Jahre nur leicht gestiegen.

Rechtliche Trendumkehr

Die Angst vor steigendem THC-Gehalt hat offenbar auch die Politik beeinflusst. Gingen in den 90er-Jahren und am Beginn des neuen Jahrtausends die Entwicklungen in Richtung eines entspannteren rechtlichen Umgangs mit den Konsumenten, scheinen mittlerweile restriktivere Gesetze in Mode zu kommen. In Dänemark, wo es bis 2004 nur Verwarnungen beim Konsum gab, werden wieder Geldstrafen eingehoben. In Italien wurde die rechtliche Sonderstellung von Cannabis wieder beseitigt, in den Niederlanden, wo sich innerhalb eines Jahrzehnts die Zahl der "Coffee Shops" halbiert hat, soll mit einem nationalen Aktionsplan die Zahl der Raucher und Esser weiter gesenkt werden.

Ob das aus berechtigten gesundheitlichen Sorgen der Staaten um ihre Bürger passiert, ist für die EBDD-Experten nicht klar. Noch gäbe es zu wenige langfristige Studien zu den Gesundheitsfolgen, konstatieren sie. (moe/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26.6.2008)