Warschau - Der Streit um die Vergangenheit des polnischen Ex-Präsidenten und legendären Anführers der antikommunistischen Opposition, Lech Walesa, und seine angebliche Zusammenarbeit mit dem kommunistischen Geheimdienst SB bleibt weiter ein Topthema in Polen. Der Chef der rechtskonservativen Oppositionspartei PiS (Recht und Gerechtigkeit), Jaroslaw Kaczynski, erklärte am heutigen Donnerstag im polnischen Rundfunk, dass er Anfang der 90er Jahre, als Chef der Präsidialkanzlei, Originaldokumente gesehen habe, die die Zusammenarbeit von Walesa mit dem kommunistischen Geheimdienst SB bestätigten.

Kaczynski behauptet, die Originalanzeigen des Agenten "Bolek" persönlich gesehen zu haben, in denen er Kollegen denunziert habe. Der damalige Innenminister Andrzej Milczanowski soll ihm die Dokumente gezeigt haben. "Ich habe Texte gesehen, die mir Milczanowski als Originale und graphologisch geprüft vorstellte", sagte Kaczynski. Der PiS-Chef, der damals sehr eng mit Walesa zusammenarbeitete, behauptet, dass er sogar Walesa gegenüber Milczanowski zu verteidigen versuchte.

Lügen-Vorwurf

"Kaczynski lügt, und zwar nicht zum ersten Mal", empörte sich Milczanowski im Radiosender TOK FM. "Es waren Kopien der Handschrift. Auf dieser Basis ließ sich nicht feststellen, ob sie von Walesas Hand stammen", erklärte der Ex-Innenminister. Seiner Meinung nach ging dies aus einer Analyse eines Graphologen, der die Dokumente überprüfte, hervor.

Warum erzählt Kaczynski erst jetzt davon? Er behauptet, dass es ein Staatsgeheimnis war, als er davon erfuhr. Der PiS-Chef gab außerdem zu, dass er öffentlich verurteilt worden wäre, hätte er Anfang der 90er Jahre den Nationalhelden Walesa der Zusammenarbeit mit dem SB beschuldigt.

Heisse Diskussion

Die Vergangenheit Walesas und seine Kontakte mit dem SB werden seit einigen Tagen besonders heiß diskutiert, nachdem ein entsprechendes Buch des Instituts für das Nationale Gedächtnis (IPN), erschienen ist. Dessen Autoren werfen dem Ex-Präsidenten vor, Anzeigen gegen seine Kollegen gegen Geld eingebracht zu haben. In dem Buch steht, Walesa habe in den 70er Jahren unter dem Pseudonym "Bolek" Informationen über Regimegegner in der Werft in Gdansk (Danzig) an den Geheimdienst weitergegeben. Das ergebe sich aus Unterlagen des Geheimdienstes.

Walesa erklärt, diese Unterlagen seien nicht echt und in den 80er Jahren gefälscht worden, um ihn zu diskreditieren und die Verleihung des Friedensnobelpreises 1983 an ihn zu verhindern. Den Autoren des Buches droht der Ex-Präsident mit Gerichtsprozessen. (APA)