Alfred Gusenbauer und Werner Faymann haben sich mit ihrem Krone-Brief etwas eingehandelt, das für Politiker noch schlimmer ist als eine Wahlniederlage: Verachtung. Hier ist eine kleine Auswahl der Vokabeln, die dieser Tage durch die Medien aller Couleurs gegeistert sind: Schande, jämmerlich, geistig abgedankt, würdelos, Kniefall, Bauchfleck, Apportel machen, schäme mich für meine Partei. Kann man mit einem so vernichtenden Zeugnis von der nicht-Krone-bestimmten Öffentlichkeit eigentlich noch so weitermachen, als sei nichts gewesen? Als politische Normalverbraucherin denkt man sich: eher nicht.

Zur Ungeheuerlichkeit der Vorgangsweise kommt noch die Verlogenheit der Argumentation. Denn die Autoren beteuern, sie seien ja gar nicht gegen Europa und auch nicht gegen den bereits ratifizierten Lissabon-Vertrag. Sie wollten nur im Fall von Änderungen dieses Vertrags das Volk fragen. Das versteht kein Mensch. Denn erstens ist gar nicht sicher, dass es Änderungen überhaupt geben wird. Und zweitens ist "das Volk", in Gestalt der Leserbriefschreiber an die Krone, nicht gegen Vertragsänderungen, sondern gegen die ganze EU. Die Hass- und Hetzkampagne richtet sich gegen die "Brüsseler Diktatur", sprich: das europäische Projekt als solches. Die eigentliche Botschaft des Krone-Briefs lautet denn auch: lieber Herr Dichand, seien Sie bitte, bitte ein bisschen nett zu uns zweien. Wir machen dafür alles, was Sie wollen. - Zu Werner Faymann war "Onkel Hans", wie Dichand von diesem angeblich genannt wird, schon bisher sehr nett. Das war offenbar der Hauptgrund für dessen Berufung an die SPÖ-Spitze. Der Krone-Chef darf von sich sagen, dass er den Chef der Sozialdemokratischen Partei, jahrzehntelang die politische Stimme der österreichischen Arbeiterbewegung, "gemacht" hat. Und jetzt will auch der Noch-Kanzler ein wenig von der Nettigkeit des alten Herrn in der Muthgasse abbekommen.

Wird so viel Unterwürfigkeit belohnt? Wie's bisher aussieht: nein. In den sorgfältig redigierten Leserbriefspalten des Zentralorgans der Anti-EU-Bewegung schlägt den "neuen Freunden" (Dichand) eher so was wie Gönnerhaftigkeit entgegen. Was das Krone-Volk wirklich will, artikuliert H.-C. Strache: weg mit der EU und mit den Ausländern noch dazu. Warum sollten künftige Wähler zum Schmiedl gehen statt zum Schmied?

Die Sozialdemokratie hat eine lange Geschichte. Internationalismus gehört zu ihren Kernwerten. Opportunismen und Umfaller hat es auf ihrem Weg zwar auch gegeben, aber selten in so unverfrorener Form wie sie Gusenbauer und Faymann jetzt vorgeführt haben. Sind das wirklich die Nachfolger von Viktor Adler und Kreisky? Oder eher die Erben des Herrn Karl, die es in die Politik verschlagen hat? Und gibt es wirklich niemanden in dieser großen Partei, der das Steuer herumreißen kann?

Der Grün-Abgeordnete Voggenhuber hat die Sache auf den Punkt gebracht. Die KronenZeitung ist jetzt Bundeskanzler, sagte er. Man könnte hinzufügen: die KronenZeitung ist jetzt auch die SPÖ. Unter der neuen Führung ist sie auf dem besten Weg, eine KronenZeitung-Partei zu werden. Ihr eigentlicher spiritus rector heisst Hans Dichand. (Barbara Coudenhove-Kalergi/DER STANDARD, Printausgabe, 2.7.2008)