Komponist Christoph Cech nimmt gerne Aufträge an: "Ich wüsste aber, was ich ablehnen würde: ein Musical nach einem schlechten Text zu schreiben."

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Christoph Cechs über zu religiöse Materie und über Aufträge, die er nicht annehmen würde.
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Wien – Dass er auf vielen Hochzeiten tanzt, weiß man bei Christoph Cech. Nimmt man den 48-jährigen Wiener Komponisten und Pianisten, der mit den multistilistischen Improvisationsensembles "Nouvelle Cuisine" und "Striped Roses" bekannt geworden ist und seit 1999 das "Institut für Jazz und improvisierte Musik" an der Bruckneruniversität Linz leitet, doch längst auch als Opern komponierenden Zeitgenossen – zuletzt "Orfeo" , 2005 von der Neuen Oper Wien realisiert – ernst.

Auch hat man ihn schon mit der Trachtenmusikkapelle Rossatz und – als Dirigent des Janus-Ensembles – als Begleiter steirischer Volksliedsängerinnen erlebt. Sich musikalisch den strengen Regulativen der katholischen Kirche anzunähern, wie es Cech nun getan hat, überrascht hingegen sogar bei diesem Freigeist.

"Wenn man gefragt wird, eine Messe zu komponieren, schluckt man zunächst. Ich bin mit Sicherheit kein religiöser Mensch, ich lasse mir meinen Zugang zum Irrationalen, Unfassbaren nicht von kirchlichen Normen verbauen" , so Cech, der sich andererseits sehr wohl als "spirituellen Menschen" sieht, "vor allem im Musizieren, Komponieren. Musik ohne Spiritualität ist für mich gar nicht denkbar."

Das Interesse am Thema sei mit fortschreitendem Arbeitsprozess gewachsen. Man müsse die Worte nicht durch die Musik dramatisieren, so Cech, da "der lateinische Messtext ohnehin zum genetischen Code der katholischen Welt gehört und fast als Blindtext mitläuft" . Was auch insofern relevant war, als er es als Aufgabe gesehen habe, "den Auftrag nicht durch eine Gegenstrategie zu verleugnen. "Ich will, dass die Musik auch wirklich als Messe funktioniert."

Mit "Kyrie" , "Gloria" , "Credo" , "Sanctus" und "Agnus Dei" wählte Cech fünf Parts aus dem Ordinarium, den unveränderlichen Teilen der Liturgie, für sein Werk, das von acht improvisierenden Tasteninstrumentalisten sowie vier Perkussionisten und zwölf Sängern und Sängerinnen uraufgeführt wird. Wobei im Zuge des "Gloria" die zu überwindende Hürde am größten war:

"Der Titelzusatz ,Formatierungsversuch‘ steht für den Versuch, diesem Text musikalisch beizukommen. Das ‚Gloria‘ steht für die Verherrlichung, für ein Sich-Kleinmachen vor dem Großen, damit habe ich nichts am Hut. Ich habe das ‚Gloria‘ esoterisch-hippiemäßig gedeutet, es hat etwas Fiebrig-Anbetendes, mit leichten Drum-&-Bass-Anklängen" , so Cech, der das "Credo" wiederum um ein Schlagzeugsolo disponierte: "Wenn ich ein Grundbekenntnis schreibe, muss es ein Drum-Solo sein. Meine Sprache ist die Rhythmik, ich bin ein Urzeittrommler."

Sein Auftraggeber "genießt meine Hochachtung. Den Cech eine Messe schreiben zu lassen, das hat in Tirol schon politischen Charakter" , zollt der Komponist den Festspielen Erl Respekt. Und kommt ins Sinnieren: An den Rändern des Musikbetriebs sei es enger geworden. Am eigenen Leib musste er dies erfahren, als ihm im März mitgeteilt wurde, dass dem von ihm geleiteten Janus-Ensemble für 2008 erstmals seit der Gründung 1996 keine Förderung durch den Bund zuerkannt werde. "Es trifft meist diesen Grenzbereich zwischen Improvisation und Neuer Musik, der für mich eines der spannendsten Gebiete aktueller Musik darstellt. Dieser Sumpf, in dem so manche Blüte treiben kann, ist ein Zeichen für eine intakte Kulturlandschaft. Am Anfang steht immer das Experiment, dessen Ergebnisse dann in den Mainstream einfließen. Wenn man das Experimentelle nicht zulässt, wird das Ganze verdorben."

Ach ja, eine Frage noch: Hat er schon jemals einen Kompositionsauftrag abgelehnt? – "Bisher nicht. Ich wüsste aber, was ich ablehnen würde: ein Musical mit schlechtem Text." (Andreas Felber, DER STANDARD/Printausgabe, 05.07/06.07.2008)