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Erhard Busek über Straßenruinen, Sandkisten und anderen "Schmarrn", für den die EU nix kann, und warum er eine Volksabstimmung über die Frage "EU – ja oder nein" empfiehlt. Mit ihm sprach Lisa Nimmervoll.

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STANDARD: Österreichs EU-Beitritt wurde 1994 mit einer strahlenden Zweidrittelmehrheit besiegelt, etwas mehr als ein Jahrzehnt später herrscht EU-Katerstimmung. Wie soll die Politik auf die Ergebnisse des Eurobarometers reagieren?

Busek: Sie soll nicht reagieren, sondern sie soll agieren. In Wahrheit ist sie selber schuld, wenn sie dauernd erklärt, dass die EU da schuld ist, und dort auch und überhaupt.

STANDARD: Wo fiel Ihnen das auf?

Busek: Ein Beispiel: Ich war in Lutzmannsburg, dort gibt es ein Thermenbad, genau an der ungarischen Grenze. Mit EU-Mitteln ist auf der ungarischen Seite eine schöne Straße gebaut worden bis zur Grenze. Auf der österreichischen Seite ist es nur ein Grenzübergang für Radfahrer und Fußgänger, und die Straße wird nicht gebaut. Die lokale Behauptung dort lautet: Die EU hat’s verboten. In Wahrheit haben die Hotelchefs gesagt, wir wollen da keinen Verkehrslärm haben. Damit haben sie in der Öffentlichkeit eine Meinung erzeugt, die EU ist schuld. – Die EU baut doch nicht eine Straße auf der einen Seite, damit sie auf der anderen Seite das verbietet. Das geht sie auch gar nichts an. Das ist ein klassisches und primitives Beispiel, wie man Stimmung gegen die EU macht.

STANDARD: Würden Sie zu den "Stimmungsmachern" auch den Brief der SPÖ-Doppelspitze zählen?

Busek: Selbstverständlich. Dichand hat Anti-EU-Stimmung gemacht. Aber in erster Linie haben die Politiker das Klima gestaltet – Dichand nützt das aus, da ist er ja nicht der Ungeschickteste. Das hat natürlich Verstärkerfunktion.

STANDARD: Das EU-Barometer fällt und fällt. Was kann die Politik tun?

Busek: Sie könnte einen radikalen Schnitt machen und sagen: Wir machen jetzt eine Volksabstimmung – wollen wir in der EU bleiben, oder wollen wir austreten?

STANDARD: Würden Sie das raten?

Busek: Selbstverständlich würde ich das empfehlen. Damit man endlich eine definitive Klarheit hat, und die EU nicht mehr Gegenstand des Populismus ist. Man muss dann halt auch sagen, dann müsst ihr wieder den Pass herzeigen an der Grenze. Der Euro ist natürlich auch weg, wenn wir austreten.

STANDARD: Wie beurteilen Sie die EU-Politik der jetzigen Regierung?

Busek: Nach außen hin hat sie es nicht schlecht gemacht, nach innen hat sie viel zu wenig gemacht, um das überhaupt zu beantworten. Es heißt immer "Die EU und wir" . In Wahrheit sind wir die EU. So müsste sich auch die Politik verhalten – was sie aber nicht tut.

STANDARD: Die schlechte EU-Stimmung im Land ist primär national verschuldet und zu verantworten?

Busek: Ja. Sicher könnte auch die Kommission einiges gescheiter machen, aber sie wird für weitaus mehr verantwortlich gemacht, als sie zuständig ist. Die Energiefrage etwa. Das ist immer noch nationale Zuständigkeit. Und alle reden herum: "Da muss doch endlich die EU ..." Die kann einen Schmarrn, wenn sie nicht zuständig ist.

STANDARD: Wäre es als Symbol vielleicht gut, wieder ein eigenes EU-Staatssekretariat zu schaffen?

Busek: Nein, da sagen dann alle, das kostet nur wieder Geld. In Wahrheit sind heute alle Minister EU-Staatssekretäre. Was sind denn die Problemstellungen heute? Energie: ist nur global und europäisch zu lösen. Klimafrage: ist nur global und europäisch zu lösen. Transportproblem oder Steuerharmonisierung: nur europäisch zu lösen. In Wahrheit verhalten sich die nationalen Regierungen eigentlich kindisch. "Bitte, du bist schuld!" Das ist wie in der Sandkiste. Und in Wahrheit haben sie selber den Dreck gebaut oder nichts unternommen. (DER SSTANDARD, Printausgabe, 15.7.2008)