Es war Robs erste Fahrt in den Busch als Reiseführer. Und da ließ ihn der alte Toyota Landcruiser gründlich im Stich: Nach zehn Zwischenstopps im australischen Outback - zerschundene Reifen, Achsenbruch, elektrische Probleme - wussten die Touristen, was ein Abenteuer ist. Als der Kühler immer mehr Wasser verlor, träufelte Reiseführer Rob ein Ei hinein - in Sekundenschnelle war es hart gekocht und deckte das Leck ab.

Not macht erfinderisch, und die Kunst der Improvisation ist Grundvoraussetzung für eine Fahrt durch den australischen Busch von der Perlenstadt Broome im Westen zur Diamantenstadt Kununurra, dem östlichen Eingang der Kimberleys. Das Buschland in Australiens Nordwesten ist bis heute eines der am wenigsten erforschten Gebiete der Touristenwelt. Dieses Outback, das Niemandsland im Landesinnern, scheint unendlich zu sein: Die Kimberley-Region ist mit 421.000 m² fast doppelt so groß wie Großbritannien. Nur drei Städte haben mehr als 2000 Einwohner. Insgesamt leben 25.000 Menschen über das Riesenland verteilt.

Einen Anschluss an das nationale Telefonnetz gibt es seit Beginn der 80er-Jahre, erst 1985 wurden die Bungle Bungles, eine Wildnis, die von kuppelförmigen Sandbergen bedeckt ist, vom weißen Mann entdeckt. Die Aborigines, die Ureinwohner, durchwandern die Sandberge bereits seit einigen 1000 Jahren. Heute noch dürfen die weißen Besucher nur Teile des nunmehrigen Nationalparks betreten. Wer dieses Naturwunder sehen will, muss am Weg nach Kununurra vom geteerten Northern Highway abweichen und 55 Kilometer raue Sandpiste zurücklegen und dafür mindestens dreieinhalb Stunden veranschlagen - pro Richtung.

Reiseführer Rob hat die Liebe zu dieser Gegend entdeckt, als er die "Wunderwelt" der Bungle Bungles fern jeglicher Zivilisation im Herzen der Kimberleys sah. Dafür gab der 37-jährige seine Fleischhauerei in Perth auf und heuerte bei dem Touranbieter "All Terrain Safaris" an.

4600 Millionen Jahre sollen die lieblichen Sandberge der Bungle Bungles alt sein, die Himalaya-Riesen gibt es erst vier Millionen Jahre. Durch die Regenfälle in der Regenzeit wird der Sandstein Schicht für Schicht zusammengepresst. Dazu bilden sich reißende Flüsse, die sich eine Bahn zwischen den Bergen suchen und bizarre Schluchten entstehen lassen. Von der Ferne erscheinen die Bungles wie tigermelierte Sandberg-Riesen.

Doch der Weg zu den Bungles ist beschwerlich, und viele Reisende nehmen diese Mühen nicht auf sich. Sie nehmen die kürzeste Verbindung zwischen Broome und Kununurra über die Stadt Derby. Die 670 Kilometer lange Gibb River Road zwischen Kununurra und Derby entpuppt sich dann aber oft als die eigentlich längere Alternative zum Northern Highway.

Zu dieser Erkenntnis kamen auch Rob und seine elf Mitreisenden bei der Fahrt auf der staubigen, buckeligen Sandpiste in größter Hitze. Aber immer wieder bieten einsame Schluchten und gigantische Wasserfälle auf der ehemaligen Viehtriebsroute Abwechslung.

Jeden Morgen, wenn Rob seine müden Schützlinge mit einem fröhlichen "Good morning, guys", aus den Buschfeldsäcken, den swags, reißt, denken diese gerne an das liebliche Broome zurück: etwas in die Jahre gekommen und längst nicht mehr Zentrum der Perlenindustrie wie Anfang des Jahrhunderts. Damals wurden 80 Prozent des weltweiten Perlenhandels über die heute 6000-Einwohnerstadt abgewickelt. Jetzt boomt der Tourismus. Cable Beach, der schönste Strand der Stadt, be-

nannt nach einem Unterwasserkabel, das von hier nach Java führt, lockt viele Touristen an. Dort können sich die Guys erst nach den Strapazen der Kimberleys wieder ausruhen.

Doch das Baden in den natürlichen Pools vieler Wasserfälle wie der Edith oder Emma Falls oder der Anblick des Devian'schen Great Barrier Reefs, das Australien neben dem viel bekannteren an der Ostküste zu bieten hat, sind die Mühen mehr als wert. Rob erzählt am Fuß des Reefs eine Reiseführer-Anekdote: "Einmal hat ein Gast nach einem Tag gefragt, wann er wieder duschen kann. Aber hier musst du die Zivilisation vergessen. Fünf Tage Buschcamping ist was anderes."

Dafür sind die Sterne von den Buschfeldsäcken aus besonders nah. Kakadus und Wallabies, Fledermäuse und Schlangen kreuzen den Weg der Reisenden, Fliegen und Moskitos sind ständige Begleiter. Alles eben, was Australien in der freien Natur zu bieten hat.

Da ist es in einem abgelegenen Buschcamp auch keine Seltenheit, dass ein neugieriges Känguru den Touristen vor dem offenen Feuer Gesellschaft leistet. Rob instruiert seine Guys: "Packt eure Sachen ein, die nehmen gerne was mit."

Neben der für Touristen exotischen Fauna findet sich hier auch ganz gewöhnliches Rindvieh. Denn obwohl weniger als 10 Prozent des Landes fruchtbar sind, lebt die Kimberley-Region immer noch zu 30 Prozent von der Viehwirtschaft. Um überleben zu können, braucht eine Farm mindestens 12.000 Stück Vieh.

Seit den 80er-Jahren ist allerdings die Diamantenproduktion wirtschaftlich bedeutender als die Viehzucht. Die Argyle Diamand Mines produzieren fast 40 Prozent der weltweit geförderten Rohdiamanten. Die Aborigines wurden, wie üblich beim Entdecken wertvoller Bodenschätze, umgesiedelt.

Zurück in Broome nützt Rob, zum ersten Mal in Hemd und langen Hosen, den letzten Abend zum Politisieren. Bei seinem ersten Bier, ein EMU-Bitter, fragt er: "In Österreich ist nun diese rechte Partei an der Macht. Das haben alle unsere Zeitungen geschrieben. Auch dass Hitler ein Österreicher war. Seltsame Wende zum Rassismus in diesem reichen Land. Das können wir hier nicht verstehen."

Eine Frau aus dem ostaustralischen Queensland, die gemeinsam mit vielen anderen Touristen diesen Abend am Stadtstrand genießt, flüstert den jungen Europäern zu, was die ohnehin wissen sollten: "Unser Land wäre so schön, wenn die Aborigines nicht wären."

Am Strand von Broome ist da gerade die "Stairway in the Moon" zu sehen: Durch Lichtreflexion scheint der Sand über das Meer eine Treppe zum Mond zu bilden.

Infos: Australian Tourist Commission Tel. 0049 /69 / 27 40 06, Fax Durchwahl 40.www.australia.com