Inland
Schmarotzer oder fleißige Ameisen? Das Bild der StudentInnen in der Öffentlichkeit
Das Märchen von den reichen Nichtstuern
Stimmt es, dass StudentInnen, deren Eltern das Studium zahlen, alles locker nehmen? Und sind solche, die von Beihilfen leben, automatisch schneller? Isabella Lechner fragte bei Britta, 21, und Maximilian, 22, nach.
Maximilian studiert Jus im siebten Semester. Er teilt sich Auto und Wohnung, die den Eltern gehört, mit der Schwester und erhält von daheim monatlich
5000 Schilling - plus Semesterticket. Ist Maximilian nun einer von jenen "reichen Studenten", die das Studium ganz locker nehmen können? "Mich stört
diese Polarisierung", sagt er. "Ich bemühe mich genauso wie sozial schwächer Gestellte, schnell fertig zu werden - nur dass meine Motivation nicht die
Angst vor dem Beihilfen-Verlust ist, sondern ein baldiger Einstieg in den Beruf."
"Aber ohne Druck studiert es sich trotzdem anders", sagt Britta, Lehramt-Studentin für Biologie und Mathematik. "Denn die Belastung ist schon höher, wenn
man weiß, man kriegt vielleicht kein Geld mehr." Britta wohnt noch zu Hause, zusammen mit vier jüngeren Geschwistern und ihrer alleinerziehenden Mutter,
die nicht berufstätig ist. Derzeit lebt Britta von 3150 Schilling Studienbeihilfe im Monat - noch. An Studiengebühren will sie erst gar nicht denken, denn vorher
gilt es, aktuelle Probleme zu meistern: Wegen einer Vier auf eine Prüfung im Wintersemester kam sie nicht in die Übungen im Sommer, wodurch sie ein Jahr
warten muss - was Folgen hat: "Ich brauche deshalb automatisch länger als fünf Semester für den ersten Abschnitt, was den Verlust aller Beihilfen
bedeutet." Und einen Job zu finden, wo noch genug Zeit zum Ablegen der fehlenden Prüfungen bleibt, sei gar nicht so leicht.
Aber auch für Studenten, die finanzielle Unterstützung von daheim haben, gibt es irgendwann ein "Toleranz-Semester", nur halt nicht vom Staat, versichert
Maximilian: "Wenn ich nicht weiterkommen würde und nur auf Kosten meiner Eltern hier herumsäße, täten die mir auch den Hahn zudrehen. Schließlich
müssen sie das Geld ja verdienen."
Bei Diskussionen über die Studiengebühren bekommt der Jus-Student manchmal Sätze zu hören wie "Du kannst gar nicht mitreden, du kriegst eh alles von
zu Hause." Dabei sind es gar nicht mehr so viele Studenten, die das Glück haben, finanziert zu werden: Laut einer ÖH-Umfrage und Daten des
Bildungsministeriums finden nur 39 Prozent aller Studierenden ganz ohne Erwerbstätigkeit ihr Auskommen. Rund 44 Prozent erhalten Geld und/oder
Naturalien von der Familie. 31 Prozent jobben neben dem Studium und neun Prozent beziehen Studienbeihilfe vom Staat.
"Das mit dem 'reichen Studenten' ist ein Märchen", meint Maximilian. "Wer ist das schon? Im Vergleich zur Generation unserer Eltern ist heute jeder
Student reich. Damals konnten wirklich nur die studieren, die viel Geld hatten - durch die Beihilfen bekommt heute jeder zumindest die Möglichkeit dazu."
Britta und Maximilian bezweifeln, dass es viele StudentInnen gibt, denen es wirklich egal ist, wann sie fertig werden. Wer sich nicht um das Finanzielle
kümmern müsse, könne das Studium jedoch wesentlich gelassener angehen: "Was ein großer Vorteil ist, weil man sich dadurch nicht nur auf das Nötigste
zu konzentrieren braucht, sondern einem auch Zeit bleibt, nach links und rechts zu schauen und seinen Horizont zu erweitern." (DER UNISTANDARD Print-Ausgabe, 3. 10. 2000)