Die FPÖ-Spitzelaffäre zieht immer weitere Kreise. Nach einem diesen Mittwoch in der Wiener Stadtzeitung FALTER erscheinenden Bericht wurden nicht nur Prominente, sondern auch Polizeiopfer von Polizisten bespitzelt. Das Innenministerium war seit November 1998 über solche Vorgänge informiert. Die wichtigtsten Auszüge: Camillus K. wurde bei einer Strassenkontrolle krankenhausreif geschlagen. Sämtliche Medien berichteten darüber. Die Beamten wurden zu zwei Monaten Haft der Afrikaner wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt verurteilt. Was hat das mit der -von der Zeitschrift Format aufgedeckten Spitzelaffaire um Andre Heller, Helmut Zilk, Caspar Einem und die Caritas zu tun? Auch in diesem Fall dürften freiheitliche Polizeivertreter, wenn nicht sogar Josef Kleindienst selbst, streng vertrauliche Daten über das Vorleben des Polizeiopfers auf eigene Faust ermittelt und an Medien weitergeleitet haben. Der Zweck: Das Polizeiopfer Camillus K. sollte mundtot gemacht werden, weil K. selbst Jahre vor dem Polizeiübergriff als "gewalttätig" in Erscheinung getreten ist. Alle von Kleindienst aufgezeigten Fälle sind verjährt. Alle bis auf einen. Der FPÖ-Gewerkschafter und auf zehn Jahre karenzierte Polizist bekennt, dass er und ein paar seiner blauen Kollegen von freiheitlichen Politikern ersucht wurden, streng geheime Daten prominenter Österreicher aus dem Polizeicomputer rauszurücken. Kritiker der FPÖ, so Kleindienst, sollten mit streng geheimen Polizeidaten zum Schweigen gebracht werden. Die meisten der von Kleindienst publizierten Fälle sind wie im Fall von Andre Heller verjährt. Bis auf den Fall Camillus K. Dem Falter liegt nun eine Stellungnahme der Wiener Polizei zu dem mutmasslichen Datenskandal im Fall Camillus K. vor, über den der Falter Ende 1998 erstmals berichtete. Daten eines Polizeiopfers sollen ohne ersichtlichen Grund abgefragt worden sein. Ausgerechnet an jenem Tag, an dem Kleindienst ein Treffen mit der Kronen Zeitung hatte. Die Vorgeschichte: Kleindienst wollte seine -mittlerweile versetzten- Polizeikollegen medial beschützen. In der Krone prahlte er mit erstaunlichen Insiderwissen über den verprügelten Afrikaner. Tatsächlich war das Strafregister des Afrikaners sauber: Die Daten konnte Kleindienst nur aus dem streng vertraulichen Kriminalpolizeilichen Aktenindex haben. In ihm sind sämtliche Anzeigen gespeichert. Egal ob das Delikt später gerichtlich geahndet wurde, oder nicht. Die Warnung Kleindiensts und der FPÖ Gewerkschaft war aber klar: Wer sich über die Polizei beschwert, dessen Polizeiregister wird publik gemacht. Polizei fragte Daten des Austro-Afrikaners insgesamt sieben mal ab Die Justiz eröffnete gegen Kleindienst sogar ein Strafverfahren: Doch Kleindienst bestritt damals alle Vorwürfe. Kleindienst kam mit seiner Verteidigung durch. Die Polizei forschte dennoch weiter. Und siehe da: Ausgerechnet am Tag, an dem Josef Kleindienst die Krone besuchte, wurden die Daten des Austro-Afrikaners abgefragt. Und, dies, so gesteht selbst das Polizeipräsidium seinerseits in einem, dem Falter vorliegenden Akt: "obwohl sie der Polizei ohnedies bereits bekannt waren". Kein Wunder: Die Polizei fragte die Daten insgesamt sieben (!) mal ab. Gegen Kleindienst wurde kein Disziplinarverfahren eingeleitet. Die Wiener Polizei hielt sich für unzuständig, da Kleindienst als "Gewerkschafter" arbeitete. Das Innenministerium hielt sich für unzuständig, da Kleindienst "bei der Wiener Polizei" zugeteilt war. Kleindienst betont, damals rechtmäßig gehandelt zu haben. "Alles kann vom jedem abgefragt werden" Vielleicht wird es wieder aufgenommen: Kleindiensts Buch müsste die Ermittler nun wieder wachrütteln. So schreibt Kleindienst im Kapitel "Polizei Hacker" seitenweise darüber, wie er zu Infos aus dem Polizeicomputer gekommen ist. Bei der Wiener Polizei will man nun alle Spitzelfälle in einer Sonderaktion neu aufrollen. Auch Kleindiensts zehnjährige Karenzierung soll demnächst aufgehoben werden. Die hatte ein anderer ranghoher Beamter erwirkt. Ein Duzfreund, mit dem Kleindienst regelmäßig joggen und Spagghetti essen ging: Der ehemalige Innenminister Karl Schlögl. ( FALTER , 4. 10. 2000)