Wien - Auf Ablehnung der meisten Strafrechts-Experten stieß Donnerstag in der Enquetekommission der Plan der Regierung, Jugendliche bereits ab 18 Jahren - mit nur geringen Ausnahmen - dem Erwachsenenstrafrecht zu unterwerfen. Fünf der sechs namhaften Strafrechtler wandten sich klar gegen den Entwurf zur Strafmündigkeit und forderten stattdessen ein spezielles Heranwachsendenstrafrecht. Einzig für Univ.Prof. Manfred Burgstaller (Wien) wäre die Umsetzung der Regierungspläne "keine Katastrophe". SPÖ und Grüne sahen darin eine für sie erfreuliche "Niederlage" für die VP-FP-Vorhaben. Dass die Altersgrenze für die Strafmündigkeit von 19 auf 18 Jahre herabgesetzt werden soll, war für die meisten Strafrechtler nicht das Problem - aber nur wenn gleichzeitig ein "effektives Heranwachsendenstrafrecht" geschaffen wird mit Sonderregelungen für 18- bis 21- oder sogar bis 24-Jährige. Im Entwurf des Justizministers fänden sich "bescheidene Ansätze" für Sonderregelungen für über 18-Jährigen, aber viel zu wenig, meinte Univ.Prof. Christian Bertel (Innsbruck). Auch der frühere OGH-Präsident Herbert Steininger hält die "flankierenden Maßnahmen" im Entwurf für zu wenig: Sie müssten "jedenfalls bis zum 21. Lebensjahr" noch ausgebaut werden. Univ.Prof. Peter Schick (Graz) schloss sich dem an. Einsperren ergibt keinen Sinn "18- und 19jährige mehr einzusperren, darin kann ich keinen Sinn sehen", sagte Univ.Prof. Helmut Fuchs (Wien). Die von Regierungsseite vorgebrachten Argumente sind für ihn nicht triftig, Absicht sei offenbar nur, "das Signal zu setzen, dass in dieser Altersgruppe härtere Strafen verhängt werden sollen". Psychologen und Experten seien sich einig, dass bei Heranwachsende "zum überwiegenden Teil entwicklungsbedingte Straftaten" geschehen. Straftäter seine in der Regel schwache Menschen, die sich ihr Leben nicht einrichten können. Im Strafvollzug würden sie das "schon gar nicht" lernen: Dort werde ihnen alles, bis zum Waschen, vorgeschrieben - "und nach der Entlassung sollen sie dann plötzlich selbstständig in der Früh aufstehen und arbeiten gehen?" Jugendgerichtshof-Präsident Udo Jesionek appellierte, das Vorhaben - das Minister Dieter Böhmdorfer am 18. Oktober dem Ministerrat vorlegen will - gründlich zu diskutieren: "Das sollte nicht so 'gach' geschehen." Es gehe ihm nicht um die "Schwerverbrecher" wie Dealer oder Mörder, sondern um die große Masse der "Alltagskriminalität". Wenn ein Jugendlicher entwicklungsbedingt ein Delikt im "ganz normalen Bereich" setzt, "sollte das nicht seine ganze spätere Karriere umbringen...Wir sollten diese Kinder retten", meinte Jesionek. Dazu müsste man Strafaufschub für den Abschluss der Ausbildung gewähren, erweiterte Diversion zulassen (damit er nicht nur Geldbusse, sondern die Auflage zur Therapie bekommt) und die Strafe früher tilgen, "damit er als 28jähriger nicht ohne Gewerbeschein dasteht, wenn er einen braucht". In Europa haben derzeit laut Jesionek nur drei Länder - Großbritannien, Frankreich und Italien - kein Heranwachsendenstrafrecht; in der Schweiz werde gerade über die Einführung (mit Altersgrenze 25 Jahre) diskutiert. Auch in Staaten wie Slowenien, Kroatien, Polen u.ä. habe man jetzt ein Heranwachsendenstrafrecht für bis 21jährige. Novelle wäre eine halbe Sache Die vorliegende Novelle wäre "wieder nur eine halbe Sache", merkte Univ.Prof. Frank Höpfel (Wien) an. Schon bei der Einführung des Jugendgerichtsgesetzes vor zehn Jahren habe man über ein Heranwachsendenstrafrecht diskutiert. Dies sei verschoben, aber für den Übergang die Strafmündigkeit auf 19 Jahre angehoben worden. Wenn man hier jetzt wieder nichts tue, "wird man auf ein Heranwachsendenstrafrecht wieder zehn Jahre warten müssen." Für Burgstaller wäre die Umsetzung der Regierungspläne zwar "kein Problem". Auch er kann sich allerdings großzügigere Sonderregelungen für 18- bis 21Jährige vorstellen. Dezidiert ist er aber gegen eine Ausweitung auf bis zu 24 Jahren - weil 21 bis 24 Jahre das "am stärksten strafrechtlich belastete Alter" seien. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim verwies auf die wichtige Funktion spezieller Jugendbestimmungen in der Verminderung von Rückfällen. Das Jugendgerichtsgesetz habe eindeutig die Rückfallsquote gesenkt. Die in der Enquetekommission vernommenen Expertenmeinungen seien jedenfalls eine "Niederlage für die Regierungspläne". Auch für die Grüne Justizsprecherin Terezija Stoisits ist das Ergebnis dieser ersten Arbeitssitzung, dass die Novelle zurückgenommen und generell vom Vorhaben, Strafen zu verschärfen, abgegangen werden müsse. (APA)