In einer ersten Reaktion - oder auch im ersten Schock - hieß es bei Innenminister Ernst Strasser, es müsse sich wohl um ein Missverständnis handeln. Richtig. Das Missverständnis unterlief allerdings nicht der Regierungsspitze, die seinen Vorschlag einer Niederlassungsverordnung ganz einfach vom Tisch wischte, sondern dem Innenminister selbst: Strasser war davon ausgegangen, dass man seinen durchaus vernünftigen Vorschlag, die Ausländerquote im nächsten Jahr vorsichtig anzuheben, wenigstens diskutieren könne. Mit Kanzler Schüssel und Vizekanzlerin Riess-Passer offensichtlich nicht. Strasser hatte in seinem Entwurf all jene Quoten, die bisher nicht ausgeschöpft wurden, reduziert, jene für die Familienzusammenführung aber erhöht. Und zusätzlich 2000 Plätze für Experten im Bereich der Informationstechnologie geschaffen. Strasser war damit dem Regierungsübereinkommen gefolgt und hatte auch den dringenden Bedarf der heimischen Wirtschaft berücksichtigt. "Kommt nicht infrage", sagt Susanne Riess-Passer, "die Quote darf nicht erhöht werden." - "So ist es", nickt daneben Wolfgang Schüssel. Daran mag man erkennen, dass die groß angelegten Diskussionsrunden, die Schüssel so gerne abhalten lässt, um seine Offenheit und die der Partei zu demonstrieren, nichts als inszenierte Posen und PR-Gags sind. Dieses "Njet" der Regierung zeigt auch, dass Schüssel mit seinem Vorhaben, den Mann in Kärnten durch Einbindung zu "zähmen", gescheitert ist. Jörg Haider legt fest, Schüssel setzt um. Auch gegen die Interessen der Wirtschaft. Und ganz nebenbei verrät der Kanzler die Grundwerte seiner Partei: Jene Ausländer, die seit Jahren auf eine Familienzusammenführung warten, gegen die Fachkräfte aufzurechnen, die die Wirtschaft bräuchte, hat mit christlich-sozialem Denken nichts zu tun. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. 10. 2000)