Es war einmal - ein Teenager namens Alice, der eines Tages das Haus verließ, um eine kleine Exkursion in die Nachbarsiedlung zu unternehmen. Kleine aufgeräumte Häuschen, sauber an schmalen Straßen aufgefädelt.The Architecture of Reassurance von Mike Mills ist in einer (real existierenden) Gated Community in Kalifornien angesiedelt. Jener vom US-Mittelstand derzeit bevorzugten Siedlungsform, die Überschaubarkeit, Sicherheit und Sauberkeit garantiert. Allerdings erwächst dieser perfekten Erwachsenenwelt aus ihrem Inneren ein neues Problem: In den Gated Communities steigen jugendlicher Vandalismus und Kriminalität, weil den Bedürfnissen der jugendlichen Bewohner in diesen künstlichen Ortschaften wenig Raum gegeben wird. Alice flaniert also durch die Straßen und imaginiert sich zu den hübschen Häuschen mit all dem hübschen (sprechenden) Nippes die dazu passenden, glücklichen Menschen. Ihre Begegnungen mit diesen fallen allerdings ernüchternd aus, und Alice wird schließlich aus diesem vermeintlichen neuzeitlichen Paradies wieder vertrieben. Mike Mills, eigentlich Grafiker, wurde vor allem durch seine Zusammenarbeit mit den französischen Elektronik-Poppern Air bekannt. Mills ist quasi für das äußere Erscheinungsbild der Band verantwortlich, er entwarf ihre Plattencover, drehte ihre Videos und zuletzt einen Tourfilm. Zu den schwebenden, langsamen Kamerafahrten von Architecture of Reassurance haben Air Musik beigesteuert. Der kurze Film nimmt Elemente wieder auf, die Mills bereits beim Video zu All I Need verwendete. Er mischt dokumentarische Befragungen von US-Teenagern zu ihren Zukunftswünschen und zu ihrem aktuellen Dasein mit inszenierten Sequenzen: Vor ihren Posterwänden beschreiben junge Mädchen ihre Traumhäuser, in denen es Tanzsäle und Musikzimmer geben soll. Dazwischen unternimmt Alice ihre eigene Erkundung der schönen, neuen Wohnwelt. The Architecture of Reassurance ist dabei gleichzeitig auch sehr stylish. Seine Aufnahmen sind zum Teil wie Hochglanz-Modefotos inszeniert. Die vermeintliche Glätte und Künstlichkeit wird allerdings nachhaltig irritiert. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, Beilage 12. 10. 2000)