Wien - Die Nominierungen für die Big Brother Awards 2000 sind abgeschlossen. Die sechsköpfige Jury wählte aus rund 200 eingesandten Vorschlägen 20 Organisationen bzw. Unternehmen, darunter vor allem politische Institutionen wie die SPÖ, die heimische Justiz oder auch PolitikerInnen wie Innenminister Ernst Strasser und FPÖ-Generalsekretär Peter Westenthaler. Aber auch die Internetanbieter chello und AON sowie alle vier Mobilfunkbetreiber stehen auf der Nominierungsliste. Chello und AON Der Internetprovider Chello wurde nominiert, da er die BenutzerInnendaten aller mit E-Mail automatisch ohne Widerrufsrecht ins Mitgliederverzeichnis gestellt habe und diese trotz Proteste weiterhin abrufbar seien. Ähnliches sei bei AON passiert, wo eine Zeitlang die gesamte Kundendatenbank frei zugänglich gewesen sei. Die Handynetzbetreiber mobilkom, max.mobil, One und tele.ring werden für die Bonitätsprüfungen für Geschäftsbedingungen, die sie zur Einholung von Bonitätsauskünften ermächtigen, gerügt. Die Unternehmen würden sich dabei auch der UKV-Liste des Kreditschutzverbands von 1870, die rechtmäßigerweise nur Banken zugänglich ist, bedienen. Auf der Nominierungsliste steht auch die Arbeitsgruppe SEC LI (Lawful Interception) des ETSI (European Telecom Standards Institute), die sich mit dem Design von Abhörschnittsstellen für alle digitalen Netzwerke befasst. Nominierung für Westenthaler und Khol Im Bereich Business wird der Online-Buchhändler amazon für das Implementieren eines neuen Privacy-"Statements", das man erst lesen kann, wenn man ihm bereits zugestimmt hat, nominiert. Dies würde Datenschutzgesetze vieler Länder umgehen, indem die Kaufverträge zwar im Land geschlossen, die UserInnendaten aber außer Landes gebracht werden. Auch das Kreditkartenunternehmen American Express steht im Kreuzfeuer der Kritik. AE habe versucht, durch eine einseitige Änderung der Geschäftsbedingungen das Recht zu erlangen, alle Daten ihrer KundInnen innerhalb des Konzerns weltweit nach Belieben austauschen zu dürfen. Eine derartige Bestimmung sei in Österreich datenschutzwidrig und ungültig. Bekrittelt wird aber auch die von den Firmen Skidata und Eye Ticket erfundene Zugangskontrolle via Iris-Erkennung. Auch der Elektrohändler Saturn wurde nominiert, da der Kunde beim Bezahlen mit der Bankomatkarte die unwiderrufliche Ermächtigung zur Weitergabe persönlicher Daten gebe. Diese Zustimmung sei nur klein gedruckt auf der Rückseite des Kassabons zu finden. Peter Westenthaler und ÖVP-Generalsekretär Andreas Khol wurden laut Jury für die lückenlose Überwachung von öffentlich-rechtlichen TV-Programmen auf abweichende Berichterstattung, Versuche, JournalistInnen einzuschüchtern und ihnen Themen vorzuschreiben und für Erstellung von Dossiers über missliebige Berichterstattung in den Medien nominiert. Besonders im Falle Westenthaler ist nach Ansicht der Jury der Begriff "Meinungsterror" angebracht. Innenminister Ernst Strasser wird wiederum vorgeworfen, den im Innenministerium üblichen Handel mit Daten auf eine legale Basis stellen wollen. Aber auch die Oppositionspartei SPÖ wurde für ihre "Bespitzelungsaktion" in Graz nominiert. Die Grazer SP hatte Auszüge aus dem WählerInnenverzeichnis an 1.000 Vertrauenspersonen mit der Aufforderung verschickt, hinter den Namen und der Adresse des/der NachbarIn oder Bekannten dessen politische Präferenz zu verzeichnen. Auch die Polizei darf auf einen Preis hoffen In zwei Fällen ist die Polizei von Nominierungen betroffen. Zum einen die freiheitliche Polizeigewerkschaft AUF (Aktion Unabhängiger und Freiheitlicher) für ihre Drohung, PolizeikritikerInnen mit Verleumdungsklagen und Prozessen wegen Kreditschädigung eindecken zu wollen. Zum anderen werden die BeamtInnen des Wiener Kommissariats Ottakring nominiert, die mit Strumpfmasken bekleidet mit gezogenen Waffen DemonstrantInnen bei der Opernballdemonstration verfolgt haben sollen. Für ihr Lebenswerk sind heuer die Redaktion der Kronen Zeitung und der ehemalige Sicherheitsgeneraldirektor Michael Sika für ihr Eintreten für Rasterfahndung und Lauschangriff nominiert. In diesem Zusammenhang steht auch dieses Jahr wieder das Heeresnachrichtenamt auf der Liste. Auch Justizminister Deiter Böhmdorfer darf sich zu den Nominierten zählen. Er hatte Jörg Haiders Wunsch, oppositionelle Meinungsäußerungen mit dem Strafrecht zu verfolgen, für "verfolgenswert" gehalten. (pte)