Wien - "Nein, per Internet kommen noch kaum Angebote für Projekte", sagt der Hamburger Thomas Schäfer. Die Arbeit des Dramaturgen sei nach wie vor an Partituren, Briefe und Tonträger gebunden. Natürlich auch an Reisen. So schwären sie aus, der 32-jährige Schäfer und der 26-jährige Bregenzer Berno Polzer, die neuen Dramaturgen von Wien modern, und besuchen eben Orte, an denen sie Funde vermuten. Natürlich werden auch Kompositionsaufträge erteilt. Wien modern soll nicht ohne Uraufführungen auskommen: "Ja, alle Werke sind fertig geworden, Gott sei Dank. Das ist ja nie ganz sicher. Man weiß auch nie, was letztlich kommt, da zittert man schon. Das sieht man ja auch anderswo: Da sitzt man etwa in Donaueschingen manchmal vor einem Scherbenhaufen . . .", sagt Schäfer. Beim diesjährigen Wien modern versuchen die Dramaturgen mit einem Themendreieck - Elektronik, Raum und musique spéctrale - Programmcharme zu versprühen. Polzer: "Was wir versuchen, ist der unglaublichen Vielfalt und Unüberblickbarkeit der zeitgenössischen Musik gerecht zu werden. Es ist sicher ein Hauptgrund für die Umstellung der Konzeption, dass diese monolithischen, monothematischen Entwürfe nicht mehr tragfähig sind." Neuer Themenstrang Elektronische Musik war bei Wien modern von allem Anfang an präsent. Nahezu eine Nullnummer - in ganz Mitteleuropa - ist hingegen der Themenstrang der französischen musique spéctrale: "Komponist Gérard Grisey ist zwar seit seinem Tod vor zwei Jahren relativ populär geworden. Dass sich dahinter aber eine fast dreißigjährige Entwicklungslinie verbirgt, ist in der Tat wenig bekannt", meint Berno Polzer. Diese gelte es zu vermitteln und auch, dass diese Musik, so Schäfer, "sinnlich und rauschhaft klingt". Alles hängt indes irgendwie doch zusammen. So wie die musique spéctrale mit der elektronischen Musik verknüpft ist, so diese wiederum mit dem Begriff des Raums. Was aber ist unter Raum in der Musik zu verstehen? "Spätestens seit der Renaissance sind Kompositionen oft auf einen bestimmten Raum abgestimmt worden. Zu verstehen ist darunter aber auch der einkomponierte, gedachte, imaginierte Raum, aber auch ein atmosphärischer Raum wie bei den Installationen in der Sammlung Essl", sagt Schäfer, und Polzer erklärt, was man da hören wird: "Es geht bei der ganzen Konzertreihe um die Verbindung zwischen Elektronik und Raum beziehungsweise Architektur. Da schien uns die Sammlung Essl sehr geeignet dafür, weil jedes der vier Konzerte in einem atmosphärisch ganz anderen Raum stattfinden wird. Gleichzeitig präsentieren sie eine kleine Geschichte der Elektronik, weil Instrumente vom Theremin Vox bis zum Apple G3 Einsatz finden werden." Riskiert man einen Blick in die Zukunft, stellt sich natürlich doch die Frage, ob weiterhin vernetzte thematische Retrospektiven Wien modern bestimmen oder auch Uraufführungen verstärkt präsent sein sollen. Schäfer: "Das Festival definiert sich in diesem Spannungsfeld der Musik der letzten fünfzig Jahre und der neuesten Musik, für die es sich stärker öffnen wird, auch für Kooperationen mit anderen Partnern in der Stadt." Aber da gibt es doch auch, wie beim Grazer Musikprotokoll zu hören war, die neue, improvisierte Elektronik, die eine Rolle spielen könnte. Schäfer: "Wir haben schon vor, stärker den Prozesscharakter zu betonen. Solche Strömungen lassen sich gegenwärtig gar nicht mehr ignorieren. Dennoch wird Wien modern weiterhin Podium sein für die wirklich komponierte Musik." (-ka/tos, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28./29. 10. 2000).