Wien - Früher, als Rasieren eher noch kein Thema war, konnte man mit diesem Album seinem Musikprofessor eins auswischen: Concerto For Group And Ochestra von Deep Purple. Ging es von Zeit zu Zeit nämlich darum, im Unterricht Kassetten vorspielen zu dürfen, die für Fahrradführerscheinbesitzer des siebten und teilweise noch achten Jahrzehnts des 20. Jahrhunderts als identitätsstiftend galten, wurde man für die darauf gespeicherte Musik meist pädagogisch wertvoll belächelt: Black Sabbath (Yesss!), Led Zeppelin (Yesss!) und eben auch Deep Purple. Wenn man also für ewig geniale Dumpfgummi-Gitarren-Riffs Hohn bezog und Vergleiche mit Holzhackern (Na und? Schlecht?) einstecken musste, konnte man sich im Falle von Deep Purple mit Concerto For Group And Orchestra aus 1970 verteidigen. Jon Lord, klassisch ausgebildeter Orgelmann im Verbund des britischen Quintetts, arrangierte damals eine viel bejubelte Hochzeit von Hardrock mit dem London Philharmonic Orchestra. Und selbst ein Musiklehrer, der sich bereits zu I Wanna Hold Your Hand von den vier Liverpoolern am liebsten bekreuzigt hätte, gab bei Erwähnung der Londoner Philharmonie klein bei. Der entstandene Bombast dieser Vereinigung vertrug sich damals bestens mit den immer länglicher werdenden Songs im 70er-Jahre-Hardrock, die gerade bei Deep Purple schon einmal eine ganze Plattenseite einnehmen konnten: You Fool No One von Live In Europe , wenn das Resthirn nicht irrt. Egal. Dreißig Jahre und unzählige personelle Veränderungen später tourt Deep Purple nun in Beinahe-Originalbesetzung - den Gitarristen Ritchie Blackmore hassen alle! - mit der Orchesteridee durch die Städte und beglückte vergangenen Freitag zusammen mit dem Romanian Philharmonic Ochestra die Wiener Stadthalle - und das entpuppte sich erwartungsgemäß als gestrichener Altherrenabend, melancholischer getönt. Natürlich besteht kein Zweifel an der Qualität des Orchesters, aber im Verein mit einer sich selbst überlebt habenden Band führte es zu nicht mehr als einem aufgeblähten Rahmen rund um eine Best-of-Werkschau. Leutselig scheitern Im Zentrum des Geschehens stand ein weißhaariger Jon Lord an seiner immer noch gut schnalzenden Orgel, der Regie zwischen dem Dirigenten, einem nicht identifizierten Gitarristen (immer noch diese langen Federn!) und Sänger Ian Gillan führte. Dieser scheiterte zwar emphatisch wie stimmlich an Stücken wie When A Blind Man Cries . Auch der adrette Damenchor konnte das nicht wirklich wettsingen. Dafür gab er einen leutseligen Moderator und hatte wie sein Publikum eine gute Zeit. Der ehemalige Wegbegleiter Ronnie James Dio schaute auf eine Arie vorbei, und in raren Momenten ( Black Night ) blitzte sogar kurz die glorreiche Vergangenheit auf. Kurz. Sonst dauerte hier alles (Soli!) wie damals schon viel zu lange. Ob sie den Skikurs-Luftgitarren-Klassiker Smoke On The Water gespielt haben? Gibt es ein Amen im Gebet? (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 30. 10. 2000)