Wien - "Vom Himmel auf die Erden fall'n sich die Engel tot." (Günter Kunert, ehemaliger DDR-Lyriker - was jetzt schade, aber egal ist . . .) Oder: Warum das Pathos - wir fahren nach Westen, nach Irland! - immer so ein Hund ist. Jedenfalls: Blöd denken! Aber richtig! Falsch . . . Und jetzt die Whiskyflöte! Teil eins, Trauerarbeit: Diese Geschichte muss eine supertraurige werden. Weil es ja immer wieder Menschen gibt, die nicht und nicht davon abrücken wollen, dass das ebenso gemeinhin betitelte und schließlich so genannte Gute ordentlich befördert gehört, wollen wir heute vom also bezeichnend benannten Bono Vox berichten. Strudelsuppe. Hirn mit Ei. Popmusik mit Niveau. Volare! Was das soll? Geht es noch?! Beziehungsweise, geht es überhaupt noch?! Nun, schwierig. Vielleicht so: Bono Vox ist Sänger und Chef der irischen, populärmusikalischen Gruppe U 2 : "With or without youuuuuuuuu." Drei, vier Akkorde. Hintereinander gespielt. Immer wieder. Aufladen muss man das allerdings zwecks Inverzückungsbetriebsnahme der kognitiven, und artverwandter, Hirnteile schon. Das ergibt also: den Punkt. Punkt ist, wo Ergriffenheit herrscht. Bono Vox sagt: "Das Herz blüht und schießt durch den Estrich der Geschichte. Aber da ist kein Raum, kein Platz in dieser Stadt zu mieten." Dann wird es eng mit dem Zins. Der Verkehr verkehrt - und steht still. Nirgends kommt hier irgendeiner hin. Im Austausch gegen Würde oder Anmut aber gibt es da ein Händchen, das dich dorthin führt, wo die Akkordfolge D-Dur, G-Dur, C-Dur, F-Dur wohnt. Und dann kommt der Hall: "It's a beautiful day!" Ende des ersten, informellen Teils unter besonderer Berücksichtigung des weltumwölbenden Charakters unseres Protagonisten. Drogen? Ja, bitte. Jetzt! Frage: Ist eine Stimme gut, nur weil sie das Gute befördert? Oder darf man sich jetzt mit dem französischen Dichter darauf verständigen, dass gute Gedanken ja nicht immer ebensolch gute, nein, keine überhaupt irgendwelche gültigen Aussagen zu treffen in der Lage sind? Wenn keiner es gewollt sollen haben dürfte? Eigentlich?! Rock mit Wuchtel Noch da? Danke. Es geht hier nämlich wider Erwarten um Rock- oder Popmusik. Einmal noch. Keine Voraussagen. Keine letztgültigen Urteile. Wie kommt man - eigentlich - zum Knackpunkt? "I'm not afraid of anything in this world." Dann kommt die Wuchtel: "Da ist nichts, was du auf mich werfen könntest, das ich nicht schon längst gehört hätte." Hört, hört! Teil zwei, Fakten, Fakten, Fakten: U 2 ist die derzeit wohl erfolgreichste Rockband der Welt. Mit ihren pathetischen Zwei- bis Vier-Akkord-Songs ("With or without youuuuuu!"), die sich seit nunmehr zwei Jahrzehnten auf diversen Alben wie October , The Joshua Tree oder Pop oder Drop in regelmäßiger Absicht versammeln, um das Gute im Menschen zu befördern, ohne dabei auf die wundersame akustische Fügung zu vergessen, dass a-Moll und d-Moll sehr gut konfigurieren, schließlich und endlich mit ihrem Beitrag zur Bekämpfung der Schuldenkrise der Dritten Welt oder der strikten, im Viervierteltakt gehaltenen Absage bezüglich des Bruderzwistes in Nordirland kommen U 2 auch diesmal über uns: "Heaven on earth, we need it now!" Das bedeutet nicht, dass das aktuelle Album All That You Can't Leave Behind (Vertrieb: Universal) besonders schlecht wäre. Im Gegenteil: Wer diese Art von Welterklärungsmodellen im Vierminutenformat zu suchen, zu finden und schließlich zu schätzen weiß, wird einmal mehr bestens bedient: "Geh weiter, geh weiter, was du hast, können sie dir nicht stehlen . . . Zu hinterfragen gilt es allerdings - wir nähern uns Punkt drei -, inwiefern hier nicht etwa beispielhaft vorgeführt wird, wie, warum und wozu eine ehemalig, sozusagen revolutionäre Form, wie es ja dem Rock nun einmal unterstellt wird, nunmehr endgültig in eine die herrschenden Verhältnisse bestätigende Unterhaltungskunst überführt wird. Die Frage lautet: Kann der Trachtensepp im Kärntnerischen dazu tanzen? Und wie er das kann! Nächste Haltestelle: Systemerhaltung. Ist das jetzt negativ gemeint? Gewesen? Wie klingen U 2 im Jahr 2000? Wir müssen darüber reden. "Peace on earth, peace on earth, peace on earth, Jesus, can you take the time?" Meinung soll und muss polarisieren. Was für eine widerliche Konsensplatte! (Christian Schachinger, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 31. 10./1. 11. 2000)