Der Vorgang scheint zunächst wenig spektakulär: Die durch eine Urheberrechtsklage der US-Plattenindustrie in schweres Wasser geratene Internet-Musiktauschbörse Napster wird von der Bertelsmann eCommerce Group mehrheitlich übernommen. Man spricht in der Branche von einem mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Kein ungewöhnlicher Vorgang, zumal viele Firmen der New Economy statt dem Börsengang derzeit lieber den Verkauf an große Konzerne vorziehen. Dabei ist die Napster-Übernahme etwas ziemlich Spektakuläres: Der damals 18-Jährige Shawn Fanning hat mit seinem Programm 1999 eine neue Ära eröffnet: Die peer-to-peer-Technologie verbindet die Kunden untereinander und ist das erste Beispiel für eine neue digitale Ökonomie. Der Ansatz von Napster ist die Netzwerkstrategie, die den elektronischen Handel künftig revolutionieren wird. Das Napster-Modell ist die nächste Generation des eCommerce. Deshalb macht es auch Sinn, dass es die Bertelsmann eCommerce-Group war, die den Deal abschloss und nicht die Bertelsmann Music Group (BMG). Mit einem einzigen Klick werden bei Napster Musiktitel an Millionen in aller Welt verschickt. Beim derzeitigen eCommerce-Modell müssen umgekehrt Millionen auf eine bestimmte Internet-Seite und dort in mehreren Transaktionsschritten ihre CD bestellen. "Wir machen es den Leuten wirklich schwer, legal an Musik im Netz zu kommen", sagte kürzlich Andreas Schmidt, Chef der Bertelsmann e-commerce Group. Untersuchungen hätten belegt, dass zum Beispiel 76 Prozent der Napster-Nutzer für Musikstücke zahlen würden, wenn sie legal und in guter Qualität angeboten werden würde. "Der Austausch digitaler Musikstücke ist nicht aufzuhalten", sagt Schmidt. Es ist kein Wunder, dass Napster aus dem Stand heraus das am schnellsten wachsende Angebot in der bisherigen Geschichte des Internet wurde. Die derzeit weltweit 37 Millionen registrierten Napster-Nutzer sind allein ein Wert, den man gar nicht hoch genug schätzen kann - allein für diese Daten hätte sich ein Vielfaches des zu vermutenden Kaufpreises gelohnt. Doch dazu kommt noch, dass es sich um die aktivsten Nutzer handeln dürfte, die eine ganz besonders wertvolle Zielgruppe darstellt. Wie bei allen Internet-Anwendungen, so wird nun auch bei Napster die nächste Stufe des Geschäftsmodells eingeführt: Aus der kostenlosen Tauschbörse wird ein Abonnenten-Modell. Offiziell wird es damit begründet, dass Urheberrechte damit abgegolten werden. Doch andererseits entspricht es exakt dem Plan jedes kommerziellen Internet-Geschäfts: "Beginne, indem Du möglichst viele Kunden um Dich scharst und setze dann ein Geschäftsmodell darauf." Mit Napster kann Andreas Schmidt seine Vision von der Ablösung des Marktmodells durch das Netzmodell beginnen: Die beschränkte Verfügung durch den Kauf einer CD wird durch den unbeschränkten Zugang zur Musik durch das digitale Abonnement abgelöst. Musik ist dann ortsunabhängig stets verfügbar und selbst mit Gebühr noch billiger. Und Musik ist nur der Anfang. (dpa)