Moskau/Graz - Nach dem Beschluss der Bundesregierung, ehemalige NS-ZwangsarbeiterInnen aus Osteuropa zu entschädigen, sind für den Leiter des Grazer Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung, Stefan Karner, noch einige wesentliche Fragen offen. Er ist der Ansicht, dass den "Auszahlungsmodalitäten eine ganz entscheidene Rolle zukommen werden". Karner hält es für "extrem wichtig", den Begünstigten "Sicherheit zu geben". Der Zeitgeschichte-Experte hält eine breit angelegte Informationskampagne in Osteuropa ebenso für unumgänglich wie die Abklärung diverser Sicherheits-Fragen. Die ersten Entschädigungszahlungen sollen Ende Dezember erfolgen. "Wir haben bisher 8.000 russische Fälle genau kontrolliert und dokumentiert", so Karner im Gespräch. "Es handelt sich in erster Linie um Frauen jenseits des 70. Lebensjahres", sagte Karner, nur in 20 Prozent der Fälle um Männer. Während von österreichischer Seite der Auszahlungsschlüssel fest steht (20.000 S für ehemalige landwirtschaftliche Kräfte, 35.000 S für IndustriearbeiterInnen sowie 105.000 S für "SklavenarbeiterInnen", also ZwangsarbeiterInnen in Konzentrationslagern) sei bis dato weitgehend ungeklärt, wie die Abwicklung tatsächlich erfolgen soll: "Die Betroffenen wohnen auf einem Gebiet von der finnischen Grenze bis Alaska", so Karner über die rein geographischen Bedingungen. Dazu komme, dass viele in den kleinen Dörfern kein Bankkonto hätten. "Wir kennen Fälle auf der Krim, wo zwar Auszahlungen versprochen wurden, aber nach sieben Jahren noch nichts gekommen ist", so der Boltzmann-Experte. Es sei "extrem wichtig", den Menschen von österreichischer Seite "Sicherheit" zu geben. Unter das Kapitel "Sicherheit" fällt, dass die österreichischen Zahlungen "nicht auf irgendein Konto, sondern direkt bei den Begünstigten landen" (Karner) und dass es auch gelingt, "Sicherheit vor Ort herzustellen", sprich Schutz vor Kriminalität. Der Großteil ehemaliger ZwangsarbeiterInnen lebe heute in für westliche Begriffe unvorstellbar ärmlichen Verhältnissen: Die staatlichen Renten liegen bei etwa 20 US-Dollar (300 S). Das, was den alten Leuten am meisten fehle, sei Geld zum Kauf von Medikamenten. (APA)