Graz - Ursprünglich standen sich beide ziemlich nahe. Zwischen Kirche und Kunst herrscht laut dem "Kunst-Pater Friedrich Mennekes" eine "fruchtbare Distanz". Geistliche wie Otto Mauer oder Günther Rombold haben diese Relation zu deuten und zu fördern gewusst, indem sie das Verbindende such(t)en. Heute herrscht meistens Stille, von manch wütendem Aufschrei durchbrochen. Mit AndrÄKunsT will der katholische Grazer Pfarrer Hermann Glettler seine Kirche St. Andrä "als Gastgeber und Dialogpartner für zeitgenössische Kultur wieder ins Spiel bringen". Den Kirchenraum als "Umschlagplatz menschlicher Sehnsüchte und Fragestellungen" (Glettler) hat Markus Wilfling fast wörtlich genommen und profanisiert: An einem Nebenaltar nutzte er die vorgegebene Architektur zum Platzieren eines gummierten, abbildlosen Info-Points. Typische Geistestouristen fragen dort, im Idealfall, im Stillen: Wo komm ich her? Wo geh ich hin? Die barocke Pracht des Hochaltars bedeckte Katharina Heinrich lässig mit einem weißen Plastikgeflecht, änderte das Kirchenhaus damit komplett. Sie bringt eine positive Asymmetrie hinein - wie Michael Kienzers verschlungene Lüster. Vielleicht eine Sehnsucht nach Neutralisierung Richtung White Cube? Denn der Kirchenraum ist kein neutraler Ort, sagt Glettler: Durch den veränderten Kontext sieht man auch Branko Lenarts Jerusalemer Mauerfoto - mit Wolke eine Anspielung auf das himmlische Jerusalem - sowie Deborah Sengls Schaf im Wolfspelz in einem anderen Licht, auch Ona B.s Himmelsleiter. nadeir=nicht da : Wie der Ausstellungstitel sind Kunstwerke da - und nicht da: Herwig Kempinger machte sich kein Bild, also schwarze Bilder, Heribert Friedl führt auf olfaktorischen Pfaden in eine zugebaute Holzhütte, die nach Verwesung und irdischer Abwesenheit stinkt. In die Geschichte zurück hört man sich bei einem Interview Fedo Ertls mit dem in die USA emigrierten Grazer Helmut Bader, der die Ereignisse rund um die Judenverfolgungen 1938 beschreibt. Ein Rückblick, der von glasklarem Intellekt sowie von bewundernswerter Toleranz zeugt. Fazit: In St. Andrä ist die Kirche ein guter Gastgeber. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 6. 11. 2000)