London - Die kanadische Schriftstellerin Margaret Atwood, 60, hat in London für ihren Roman "Blind Assassin" den diesjährigen Booker-Preis - die wichtigste Auszeichnung der englischsprachigen Literaturwelt - gewonnen. Atwood habe, so die Jury, ihre "große emotionale Bandbreite und ihr poetisches Auge für die Darstellung von Detail und psychologischer Wahrheit" demonstriert. Nachdem sie zuvor bereits drei Mal in die Endausscheidung für den Booker-Preis gekommen war, gab sie sich nach der Verleihung am Dienstagabend bescheiden: "Es geht nicht nur um ein Buch - es geht insgesamt um das Lesen und das Schreiben". 120 Kandidaten Die Juroren hatte in diesem Jahr unter 120 Eingaben auszuwählen. In die Endausscheidung der ersten sechs kamen auch "The Hiding Place" von Terezza Azzopardi, "The Keepers of Truth" von Michael Collins, "When We Were Orphans" von Kazuo Ishiguro, "English Passengers" von Matthew Kneale und "The Deposition of Father McGreevy" des Iren Brian O'Doherty. Der Japaner Ishiguro, der in England lebt, hatte den Booker-Preis 1989 für seinen Roman "Remains of the Day" gewonnen. Im vergangenen Jahr gewann der Südafrikaner J.M. Coetzee die Auszeichnung für seinen Roman "Disgrace." Leben und Würdigung Atwood, 1939 als Tochter eines Insektenforschers geboren, verbrachte ihre Kindheitssommer in der wilden Landschaft der Provinz Quebec. Diese "Wildheit", so der "Independent", mischte sich später mit feministischem Bewusstsein und politischem Interesse. Drei ihrer Romane hatten es schon einmal in die Endausscheidung des Booker- Preises geschafft: "The Handmaid's Tale" (1986), "Cat's Eye" (1989) und "Alias Grace" (1996). Der "Independent" preist Atwood am Mittwoch als eine "unvergleichbar talentierte Führerin durch die wilde Landschaft des modernen Lebens." Für den "Guardian" demonstriert das Buch den "reifen Pessimismus des Alters - und das auf brillante Weise." In "Handmaid's Tale", so der Independent, habe Atwood mit ihrer Darstellung der Gefahren des "christlichen Fundamentalismus" in den USA "die eindruckvollste Vision einer diktatorischen Zukunft seit George Orwell" gegeben. "Blind Assassin" und Einflüsse In "Blind Assassin", ihrem zehnten Roman, beschreibt die aus Toronto stammende Atwood das "aufregende und gefährliche Leben" sowie den tragischen Tod ihrer Schwester Laura, die Anfang der 40er Jahre auf mysteriöse Weise bei einem Autounfall ums Leben kam. Atwood nimmt das Schicksal ihrer 82-Jährigen Romanheldin Iris Chase zum Anlass, die Konflikte Kanadas zwischen vielfältigen historischen Einflüssen und dem Streben nach einer eigenen Identität als moderner Staat darzustellen. Über die "Pein und Verwirrungen" des Lebens schreibt sie: "Im Paradies gäbe es keine Geschichten zu erzählen, weil es keine Reisen gibt." Ihr Vorbild seien die Kinderbücher der Engländerin Beatrix Potter (1866-1943), sagte Atwood: "Sie sollten als kleine Romane" betrachtet werden. Auch die gut geschriebenen und wunderschönen Texte von Tom Kitten und Jemima Puddleduck hätten ihr Werk sehr beeinflusst. (APA/dpa)