Da ist er ja wieder, der Satz, den die meisten Österreicher für die Gründungsformel der 2. Republik halten: "Österreich ist frei" tönt Leopold Figls kratzige Stimme aus den beiden Megaphonen - abgelöst und gestört von verfremdeten Walzerklängen - an der Installation von Susanne Schuda und Florian Schmeiser am Schwarzenbergplatz. "Österreich hat frei" wäre wohl das passende Pendant in einer Gegenwart, die Freiheit mit Freizeit gleichsetzt. Aber das war ja nicht gemeint, Schuda und Schmeiser drücken nämlich ganz absichtlich auf die heimische Tränendrüse, um dann gleich wieder den Grenzbalken über die Sentimentalität herabzulassen. Und diese Sperre gibt es wirklich am Schwarzenbergplatz - zumindest bis 31. Jänner - wie auch hier bis zum Oktober 1955 tatsächlich eine Zonengrenze war. Die Grenze verlief hier zwischen der von den alliierten Befreiungs-und Besatzungsmächten gemeinsam verwalteten Innenstadt und dem sowjetisch kontrollierten vierten Bezirk. Der Platz für die Installation ist ein gut gewählter für historische Assoziationen: Sogar chronologisch richtig befindet sich, stadtauswärts betrachtet, das Monument kakanischer Herrlichkeit - die Skulptur des Feldmarschalls Schwarzenberg - auf der selben Blickachse wie das "Russendenkmal", dessen Marmor der ehemalige Wirtschaftskammerpräsident Sallinger geliefert hat und das Belvedere, wo Außenminister Leopold Figl seine frohe Botschaft verkündete. "Wovon wurde Österreich befreit, von einem bösartigen Schicksal im allgemeinen, von Befreiern und Besatzern, von der eigenen Geschichte?" wollen die Künstler wissen. "Was ist die österreichische Freiheit?, sind Sie frei?, sind andere freier" - viele Fragen, deren Antworten auch mit diesem Projekt gesucht werden. Dazu reicht natürlich ein ironischer Grenz- oder Garagenbalken allein nicht aus. Unterbrechung Der Balken ist vielmehr ein deutlicher Hinweis für die Betrachter, um unmittelbar am historischen Ort oder über das Internet aktiv zu werden. Das funktioniert am Schwarzenbergplatz mit Hilfe einer Sprechtaste, die es möglich macht, sogar einen österreichischen Außenminister in seiner Rede zu unterbrechen und über die selben zwei Megaphone der Umgebung einmal so richtig die Meinung zu sagen. Eine Chance, welche die ewig grantelnden Wiener einmal wirklich nutzen sollten. Die zweite Möglichkeit der Kommunikation, des Diskurses besteht über das Internet. Die eigens geschaffene Webpage http//:www.oefrei.at ist Plattform für den Meinungsaustausch, aber auch ein kleines Geschichtsbuch zur 2. Republik. Die verschiedenen Medien - als Installation, als Lautsprecher und als Webpage - verweisen gegenseitig auf einander, sie verbinden den realen mit dem virtuellen Raum. Diese Dimension der Arbeit von Schuda und Schmeiser ist zwar geläufig, sie zeigt aber auch, dass ein so konventionell erscheinendes Thema, wie eben das "Stadttor", in der gesamten Welt aufgenommen werden kann und damit den Rahmen des Ortsspezifischen sprengt. Während also Schuda und Schmeiser mit den Medien die Erreichbarkeit ihrer Installation dramatisch erhöhen, ist der Grenzbalken ein unmittelbar schockierender Hinweis auf das Einengen eben der von Figl postulierten Freiheit. Vielleicht nicht der österreichischen, sicherlich aber der Freiheit jener Menschen, die nicht das Glück haben, in der EU geboren worden zu sein. Humor Es ist die Vielschichtigkeit der Arbeit, welche die Installation am Schwarzenbergplatz und in der Welt auszeichnet. Nicht nur beim Einsatz der Medien, nicht nur in der Dramatik am Ort, sondern auch im unterschwelligen Humor, der die ganze Ernsthaftigkeit des Unternehmens aufs Angenehmste relativiert. Nachdem ja der "Schmäh" in Wien mit Helmut Qualtinger gestorben ist, tut es wieder einmal ganz gut, die feine Ironie einer Installation im öffentlichen Raum zu beobachten. Der überdimensionale Grenzbalken könnte auch am Eingang einer Schrebergartenkolonie stehen, in den Köpfen der Leute hat er ohnehin diese Größe. Bei der Figl-Rede kommt der gesamte - aus der Zeit verständliche - Pathos zum tragen und hinterlässt heute im Zuhören bereits ein wenig das Gefühl des Peinlichen. Aber nicht zu sehr, um wirklich lästig zu sein. Und bei der Vorstellung, am Wiener Schwarzenbergplatz eine Rede halten zu können, bleibt, um es einmal so ganz unösterreichisch auszudrücken, "kein Auge trocken". (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 10. 11. 2000)