Wien - Donnerstagabend im Konzerthaus. Das Klavier spielte einen kleinen Nonenakkord (mit Pedal), und zwei Holzstäbchen machten: klock! Kurze Pause. Das Klavier spielte noch einmal einen Nonenakkord, und ein Glöckchen machte: bimm! Ein Bariton produzierte inzwischen denkbar unüberzeugend irgendwelche Melismen im Halbtonbereich, auf "a". Nach einigen Minuten dann das Orchester: Dröge, ewig gehaltene Akkordflächen, mit ein wenig Schlagwerk-Kokolores garniert. Irgendwann wurde es dann laut, auf eine völlig unmotivierte Art und Weise. Der Chor über Minuten fortissimo im oberen Stimmbereich, im Orchester wildes Gewusel. Auf einmal - deplatziert wie Winona Ryder in der rumänischen Gewichtheberinnen-Nationalmannschaft - ein lupenreiner H-Dur-Akkord. Es wurde wieder leise, der Nonenakkord kam wieder, die drögen Akkordflächen auch, und abschließend wurde es sogar noch einmal sehr, sehr laut, mit massigem Orgelgeschmettere in Des-Dur. Dann war Narek aus. Und Aram Petrosyan erhielt für seine Symphonische Kantate einen Preis der Casinos Austria. Nach der Pause die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte , von Dieter Kaufmann für Soli, Orchester, Spanische Glocken, Orgel und Elektronik zu Musik gemacht. Da gab es sechs im Konzertsaal verteilte Schlagwerkgruppen, einen differenziert eingesetzten Chor, vorproduzierte Bandeinspielungen: ein akustisch abwechslungsreiches, vielfältiges Hörerlebnis, das schon, ja. So bedrohlich! Aber dann saß man also da und mühte sich, die unzähligen, sicher ganz wunderbar durchdachten Kompositionswinkelzüge mit größtmöglicher Gehirnakrobatik mit den einzelnen Artikeln der Textgrundlage in Verbindung zu bringen. Und rätselte am Ende doch nur, wieso der Gesamtcharakter dieses Werks unbedingt ein so bedrohlicher, autoritärer, negativer sein musste. Montagabend im Konzerthaus. Garth Knox wanderte in Spielmannmanier durch den Neuen Saal und schickte auch die mit Live-Elektronik variabel verstärkten und verzögerten Klänge seiner Viola d'Amore von einem Eck ins andere. Sein New Life geriet zur eher meditativen Angelegenheit, fragil, zart und unaufdringlich. Zu guter Letzt erklärte Karlheinz Essl noch, wie bei seinem da braccio für Viola d'Amore, Live-Elektronik und Computer Geschichte und Sprachsujets der Streichinstrumente verarbeitet werden sollten. Knox' Viola d'Amore klang daraufhin meistens sehr "spacig" (wenn er nicht gerade kratzte, klopfte oder scharrte), Essl gerierte am Laptop messerscharfe Nadelklänge und erinnerte in besten Passagen an jenen Sound, der zu hören war, als der von Schwarzenegger kaputtgeschossene Terminator 2 immer wieder zu einer physischen Einheit zusammenfloss. Ob bei den vier Uraufführungen auch nur ein Moment war, der wirklich berührte? Nein. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 11./12. 11. 2000)