"Ich komm' von den Philippinen", kräht Lylet. "Ich aus Polen, ich aus Mazedonien", rufen Victoria und Arlind. "Ich? Aus Österreich, glaub' ich", sagt Aleksandra unsicher. Zu Hause? Da spreche sie Serbisch. Zwölf Nationalitäten, acht Religionen, 23 Kinder mit den unterschiedlichsten Sprachkenntnissen sind in der ersten Klasse an der Ganztagesvolksschule Reichsapfelgasse, 1150 Wien, versammelt. "Einige haben beim Schuleintritt fast kein Deutsch gesprochen", erzählt die Lehrerin Corinna Höfer. Doch auch wenn das den Unterricht am Anfang komplizierter mache, sei Multikulturalität absolut lohnend: "Die Kinder sind viel offener, toleranter, es werden so viel mehr Themen eingebracht." Zunächst, schildert Höfer, "müsse man eben viel mit Bildmaterial, mit der Körpersprache arbeiten - und gleichzeitig diejenigen fördern, die keine Probleme in Deutsch haben." Mit der Nachmittagsbetreuung, zusätzlichen Deutschstunden und mithilfe der BegleitlehrerInnen sei das machbar. Nur: "Wenn man Begleitlehrer streicht - da würde man eine Kluft schaffen, die dann mit der Zeit unüberbrückbar ist." In ihrer Klasse ist davon nichts zu spüren - inzwischen verstehen die Kinder bereits sehr gut Deutsch. "Die lernen das in einer unglaublichen Geschwindigkeit", freut sich die quirlige Lehrerin. Dass durch die Sprachprobleme das Klassenniveau sinkt, gehört ihrer Meinung nach ins Reich der Mythen. Viele hätten ja Vorkenntnisse - aus dem Kindergarten oder den Schulvorlaufgruppen des Wiener Integrationsfonds und des Stadtschulrates. Nur die Ferien brächten oft Rückschläge, weil die Kinder die Sprache nicht laufend sprechen würden. "Da ist es wichtig, viel Kontakt mit den Eltern zu haben und sie dazu zu bringen, mit den Kindern auch Deutsch zu üben." Eine große Hilfe dabei sei die Rebas, die "Regionale Betreuungsstelle für ausländische SchülerInnen" im 15. Bezirk: "Viele Eltern sind, vor allem wegen Sprachproblemen, verunsichert - und da ist es für sie beruhigend, einen Landsmann dabeizuhaben", sagt Höfer. Die Rebas könne den ausländischen Eltern auch bei anderen Problemen helfen oder bei kulturellen Auffassungsunterschieden vermitteln: "Zum Beispiel dürften sich viele islamische Mädchen nur zu Hause umziehen - und da ist es manchmal schwierig, die Eltern von der Notwendigkeit des Turnunterrichts oder Schwimmens zu überzeugen." Was sie aber immer noch geschafft hat. Hineinversetzen lernen Hingegen: "Bei österreichischen Eltern ist oft Ausländerfeindlichkeit zu spüren - viele haben vorgefasste Meinungen, die man nur sehr schwer ändern kann." Sie thematisiert das in der Klasse und bringt die Kinder dazu, sich in andere hineinzudenken. Für richtige Projekte seien die Kids zwar noch ein bisschen jung. "Doch um ein Bewusstsein für Integration zu schaffen, kann man gar nicht früh genug beginnen", sagt die Lehrerin und pinnt Emre einen grün gestreiften Zettel an den Pullover. "Uuiii - das kitzelt", kichert der. Auch alle anderen werden mit gemusterten Zetteln ausgerüstet und singen das Lied vom Anderssein, in dem die Blaukarierten, die Rotgefleckten und die Grüngestreiften einander jeweils aus ihren Kreisen ausgrenzen. Bis sich dann, bei der letzten Strophe, alle - auch der einzige Gelbgetupfte - im Kreis an den Händen halten. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 28. 11. 2000)