"Desaströse Zustände" - anders kann und will Professor Erich Kirchler sein Arbeitsumfeld nicht bezeichnen. Kirchler ist Leiter des Instituts für Psychologie an der Universität Wien. Und dieses Institut ist mit rund 7800 Studenten größer als die meisten Fakultäten - und größer als die gesamte Uni Klagenfurt. In diesem Fach spiegeln sich exemplarisch die Probleme der Unis. Denn der umfangreichen Studentenzahl stehen - inklusive Teilzeitkräften - nur 42 Lehrende gegenüber. Dazu kommen noch 76 externe Lektoren. Für die Studenten bedeutet das Ungleichgewicht: "Wir frustrieren die Leute, bis sie gehen - und haben dann einen schlechten Ruf", sagt der Institutsvorstand im STANDARD-Gespräch. Dieses Problem ist an der Dropout-Quote deutlich sichtbar: Sie ist enorm hoch. Doch das sei offenbar durchaus im Sinne des Geldgebers, mutmaßt Kirchler. "Man verlangt uns ab, die Bösen zu sein. Meine Leute werden immer verzagter." Denn würde man am Institut reguläre Studienbedingungen schaffen, müsste die Personalzahl zumindest verdreifacht werden. Oder man ringt sich zu einer Studienplatzbewirtschaftung durch: Das heißt, es werden nur mehr so viele Studenten aufgenommen, wie man guten Gewissens ausbilden kann. Teilnehmerlimit Weil Prüfungstaxen für Unilehrer künftig nicht mehr direkt ausbezahlt werden, könnte es in allen hörerintensiven Fächern bald ein hohes Interesse an Teilnehmerlimits in Lehrveranstaltungen geben. "Der Anteil eines versteckten Numerus clausus wird sich erhöhen", befürchtet auch Hochschullehrer-Gewerkschafter Klaus Zelewitz. Allerdings beruhigt hier das Ministerium: Die Taxe wird nicht abgeschafft, sondern in eine Leistungsprämie umgewandelt, die künftig universitätsintern vergeben wird. Dennoch muss Geld eingespart werden: Das Personalbudget wird im kommenden Jahr eingefroren. Aufgrund der Altersstruktur der Lehrenden müsste es aber um 200 Millionen Schilling steigen. Die müssen irgendwo eingespart werden - sei es durch die Abschaffung von Parallelveranstaltungen oder durch Aufschiebung von Postennachbesetzungen. Die Stimmung ist daher schlecht. So wird bei den Wiener Publizisten am 12. Dezember in einer Sitzung über eine mehrwöchige "Lehraussetzung" im Sommersemester diskutiert. Und an der Psychologie denkt man an die erwähnten Teilnehmerlimits für Veranstaltungen. Schließlich sind Lehrende hier mit 255 Prüfungen pro Kopf und Studienjahr das mit Abstand am meisten belastete Personal an der Fakultät. Keine Garantie Teilnahmebeschränkungen kosten aber den Studenten - die immerhin ab dem nächsten Wintersemester 5000 Schilling zahlen müssen - nicht nur Zeit, sondern auch den Verlust von Stipendien und Familienbeihilfen. "Es ist einfach zynisch zu glauben, die Studenten werden sich schon die Qualität holen", ärgert sich Kirchler. "Wir können niemandem garantieren, dass er hier mit dem Studium fertig wird." Angesichts der Schwierigkeiten verlieren die heimischen Universitäten an Attraktivität - für ausländische Lehrende wie für prominente Inländer. Dazu kommen noch hausgemachte Probleme: Weil in der Vergangenheit alle Assistenten pragmatisiert wurden, gibt es keinen Spielraum mehr für Nachwuchs. "Es ist alles zubetoniert", räumt Kirchler ein. Mithilfe einer Novelle zum Universitätsorganisationsgesetz, wonach künftig auch Forschungsassistenten die Lehre erlaubt wird, will das Ministerium diesem Missstand kurzfristig gegensteuern. Dem Standesvertreter Zelewitz fehlen dennoch Konzepte einer gezielten Personalentwicklung. Trotzdem denkt er nicht an Streik. Weil das nur die Studenten träfe. Ob er es sich mit dieser Haltung nicht genauso mit der Basis verscherzt wie die Lehrergewerkschaft? Ihm könne man aber nicht vorwerfen, mit dem Bildungsressort Geheimverhandlungen geführt zu haben, kontert Zelewitz. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 1.12.2000)