Wien - Hatte Raoul Schrott am Samstag bei der Einäscherunsfeier seine Grabrede für H.C. Artmann unter den Titel "Der König ist tot" (Le roi est mort) gestellt, so lautete am Sonntag bei der Gedenkmatinee für den Dichter Hans Carl Artmann die Botschaft "es lebe der König". Die Artmann-Lesung von Schriftsteller-Freunden und Schauspielern des Burgtheaters unter dem einem Artmann-Titel entlehnten Motto "Von der Wollust des Dichtens" fügte der Gedenkveranstaltung eine humoristische Note hinzu. Barbara Petritsch las vom Angsoffanen unterm Christbaum ("fia a pjotr"), und Peter Matic davon, "wos an weana olas en s gmiad ged". Von Gerhard Rühm, der "requiem viennense", einen gemeinsamen Text mit Artmann vorstellte, und Friedrich Achleitner ("Meine Heimat") wurde die Wort-Wollust über Raoul Schrott mit "gedichte von der wollust des dichtens in worte gefaßt" bis zu "How much, schatzi?" vorangetrieben, von Peter Turrini mit komödiantischer Verve gelesen. Artmanns Stimme war zur Einleitung und zum Ausklang der Gedenkmatinee zu hören, mit Gedichten vom Tod: "heit bin e ned munta wuan" und dem "windradal", das man ihm am Grabe aufstellen sollte. Und auch die Bitte von "wann e amol a bankl reiß", nur kein Ehrengrab am "Grabsteinpark" Zentralfriedhof zu erhalten, wurde noch einmal im vollbesetzten Akademietheater vorgetragen. Gedenkfeier am Samstag "Was sagen, wenn ein ganz Großer stirbt?" Diese Frage stellte Wiens Kulturstadtrat Peter Marboe an den Beginn seiner Rede, die am Samstag Nachmittag die Trauerfeier für H.C. Artmann in der Feuerhalle Wien-Simmering einleitete. Der Dichter H.C. Artmann, der am 4. Dezember 79-jährig in seiner Wiener Wohnung an Herzversagen gestorben war, war einer der Größten. Und groß war daher die Zahl der Freunde und Kollegen, die von ihm Abschied nahmen. Zu kaum einem Anlaß in den letzten Jahren war das literarische und künstlerische Österreich derart vollzählig versammelt gewesen - und den meisten der Trauergäste stand ins Gesicht geschrieben, dass hier mehr als bloss ein Künstlerleben zu Ende gegangen war. Die Kollegen Artmanns aus der Zeit der Wiener Gruppe, Oswald Wiener, Friedrich Achleitner und Gerhard Rühm, waren ebenso gekommen wie die SchriftstellerInnen Ilse Aichinger, Alfred Kolleritsch, Elfriede Gerstl, Lotte Ingrisch, Gert Jonke, Heinz R. Unger, Peter Henisch oder Raoul Schrott. "Altersloser Dichter" Verleger wie Jochen Jung, Martina Schmidt, Ulrich Schulenburg oder Max Droschl nahmen ebenso Abschied von dem Dichter wie Theaterleute wie Klaus Bachler, Georg Springer, Emmy Werner, Helmuth Lohner, Wolfgang Hübsch, Bibiane Zeller oder Andrea Eckert. Maler wie Hermann Nitsch, Georg Staudacher und Franz Ringel, nahmen ebenso an der Feier teil wie der Fotograf Franz Hubmann, der Multi-Künstler Andre Heller oder die Politiker Franz Fischler, Franz Morak, Peter Marboe und Peter Pilz. Der Literaturwissenschafter Klaus Reichert würdigte Artmann als einen "alterslosen Dichter, dessen Zeit immer gekommen war", in dessen Werk sich unmöglich Entwicklungen feststellen liessen, denn: "Er war immer ganz hier." Der Schriftsteller Peter Rosei berichtete über seine persönliche Freundschaft zu H. C. Artmann und meinte: "In letzter Zeit hat er, so scheint mir, die Angst vor dem Tod verloren." "Poet und Weltbürger" "Artmann und Wien - das ist eine lange und widersprüchliche Geschichte", sagte Peter Marboe, "Er war ebenso Poet der Vorstadt wie Weltbürger der Literatur." Er betonte, Ehrengrab werde es auf Wunsch des Verstorbenen keines geben, doch ein ehrenhalber gewidmetes Grab. Artmann habe, so Marboe, "längst einen Ehrenplatz in unserem Herzen". Morgen, Sonntag, findet um 11 Uhr im Wiener Akademietheater eine Matinee in Gedenken an H.C. Artmann statt, an der u.a. Friedrich Achleitner, Gerghard Rühm, Raoul Schrott und Peter Turrini teilnehmen werden. (APA)