Mit „The Last Shout“ fand im Jahr 1996 ein überaus erfolg reiches Kapitel britischer Fernsehgeschichte ihren fulminanten Abschluss. Jetzt entschloss sich Autorin und Hauptdarstellerin Jennifer Saunders zu einer Fortsetzung von „Absolutely Fabulous“. Somit eine Zwischenbilanz von Doris Priesching.
Schön ist es, wenn die Ereignisse von der Wirklichkeit eingeholt werden. 1996 schloss Bob Spiers mit dem 1 1/2 Stunden-Special „The Last Shout“ ein überaus erfolgreiches Kapitel Fernsehgeschichte, danach war erst einmal Schluss. Bis sich Autorin und Edina-Darstellerin Jennifer Saunders entschloss, die im britischen Fernsehen erfolgreichste Serie der Neunzigerjahre fortzusetzen. Es wird neue Folgen von Absolutely Fabulous geben. „Ich fühlte, dass Edina und Patsy und all die AbFab-Charaktere um meine Aufmerksamkeit kämpften. Also gab ich nach.“ Das Skript wird nächstes Jahr in Produktion gehen, die Besetzung bleibt die gleiche und als ungefähren Sendetermin nennt die BBC Ende nächsten Jahres. In den neuen Folgen wird sich Mutter Edina selbst als Medienereignis promoten, Tochter Saffy (Julia Sawalha) wird Schauspielerin und die Großmutter, dargestellt von June Whitfield, steigt wieder ins Berufsleben ein. Vorgaben von Mode- und Lifestylemagazinen Was würde geschehen, wenn alle Frauen die Vorgaben von Mode- und Lifestylemagazinen konsequent befolgen würden? Der weibliche Teil der Menschheit bestünde ausschließlich aus Typen wie Edina und Patsy. „Ein netter Bummel in der Bond Street, ein Abstecher zu Gucci, ein kurzer Blick zu Ralph Lauren ...“, das ist der Tagesablauf der beiden schrillen Freundinnen. Edina Margaret Rose Monsoon (Saunders) ist Chefin einer PR-Agentur, Patsy Stone (Joanna Lumley) Ressortchefin eines namhaften Modemagazins, beide sind um die vierzig und haben ihren anarchistischen, ausschweifenden Lebensstil aus den Siebzigerjahren in die heutige Zeit hinüber gerettet. Um neun Uhr früh landen die beiden in Picadilly und drehen eine Shoppingrunde, bevor sie, um nicht auszutrocknen, ins nächste Pub wanken und schließlich um 14 Uhr im Büro ankommen. Zu diesem Zeitpunkt etwa steigt Edina nicht mehr aus ihrem Auto aus. Sie fällt raus. Das Familienbild, das sich präsentiert, folgt dem in letzter Konsequenz. Wer mit Fettabsaugung, Face-Lifting, Fitness-Studio und ständigem Hinterherhecheln nach allen möglichen Modetrends beschäftigt ist, kann kein Interesse an Ehemann und Kindern haben. „Dress funky, darling!“, lautet die Devise. Begegnung In „The Last Shout“ fährt Edi, nachdem sie von der geplanten Hochzeit ihrer einzigen und noch dazu kreuzbraven Tochter Saffron erfährt, erstmal mit Patsy nach Val d’Isère zum Skifahren. Die Befindlichkeit der Tochter angesichts des bevorstehenden Ereignisses wird völlig ignoriert, nach etlichen katastrophalen Ski- und Snowboardversuchen, unzähligen Flaschen Bollinger und Stolichnaya, einer ebenso beliebigen Anzahl von Koksinhalationen und einem zertrümmerten Hotelzimmer, widerfährt Edina eine Begegnung mit dem lieben Gott. Der ist nicht nur eine Frau, sondern gleich einmal Marianne Faithfull. „Du bist noch nicht so weit“ und „es gibt noch einige Dinge, die du tun musst“, haucht sie Edi zu. Und weil es Marianne Faithfull ist, die das sagt, wird Edi ihr glauben und zur Erde zurück kehren. Dass daraufhin die Hochzeit wahr genommen wird, ändert nichts daran, dass Edis letzte Tat, die Zerstörung des sich als falsch erwiesenen Glücks ist. Kein Ideal Die Familienidylle als Ideal, wie es etwa amerikanische Sit-Comedies implizieren – und mit denen Ab Fab ohnehin nur das Hintergrundgelächter gemein hat – kann es dieser Auffassung nach gar nicht geben. Man denke nur an Roseanne, die in ihrer letzten Folge – ebenfalls einem 1½ Stunden-Special Sätze wie „ich lernte, dass Gott existiert. Er oder sie lebt in allen von uns“ vom Stapel ließ. Roseanne Barr kaufte übrigens damals die Rechte zur Serie und wollte ein amerikanisches Pendant schaffen mit Carrie Fisher als Hauptdarstellerin. Das Projekt wurde nie realisiert. Von dieser Vorstellung ist Edina meilenweit entfernt, mehr noch: sie strebt sie gar nie an. Die biedere Tochter ist „stinklangweilig“, wird am Tag ihrer Hochzeit mit einem Wachsstreifen zwecks Enthaarung geknebelt und für Patsy ist sie sowieso nur noch „das Miststück“. Die Großmutter solle man statt „Granny“ („das klingt doch wie bei den Walton!“) lieber „diebische alte Schachtel“ oder „Mumie, Sargnagel oder Nebelkrähe“ nennen. Umgekehrt bleibt die Tochter der Mutter nichts schuldig. Die esoterischen Macken der Mutter, die bei der persönlichen Begegnung mit Modeschlöpfer Christian Lacroix schlicht zu Boden geht, werden nicht einfach hingenommen. Das farblose Mädchen kann durchaus sehr heftig werden und schickt die Mutter, wenn sie nicht folgsam ist, mit wüsten Beschimpfungen auf ihr Zimmer. Und Patsy – die alptraumhafte Anima von Ivana Trump? Ihr Lebenswandel unterscheidet sich von dem Edis in zwei Punkten: Sie hat Sex, und sie hat keine Gewichtsprobleme. Mehr noch: sie hat sogar unglaublich oft Sex und überschüssige Kilos sind kaum ein Thema. „Hast du schon was gegessen?“, fragt Edina. „Nicht mehr seit 1973.“ „Man wird erst wissen, was die Frauen sind, wenn ihnen nicht mehr vorgeschrieben wird, was sie sein sollen“ schrieb Rosa Mayreder „Kritik der Weiblichkeit“. Nun, die Hauptdarstellerinnen in „Absolutely Fabulous“ sind weit entfernt davon, uns zu offenbaren, was die Frauen sind, aber sie vermitteln uns eindringlich, dass ihnen vorgeschrieben wird, was sie sein sollen.