Selbst wenn man gar nichts Gutes an der innenpolitischen Entwicklung im Vorjahr finden kann, so gibt es wenigstens einen Trost: "Österreich ist heute politischer geworden. Die Zeit des passiven Zusehens, des Geschehenlassens der Politik ist vorbei und einer aktiveren Teilnahme am politischen Geschehen gewichen." Bundespräsident Klestil hat diesen Trost in seiner Neujahrsansprache gespendet. Er kennt den Wunsch vieler Österreicher nach Harmonie. Eine große Mehrheit war mit dem Stillstand, der unter Rot-Schwarz geherrscht hat, in Wahrheit viel zufriedener, als es das Granteln über "die da oben, die nix zusammenbringen" ausgedrückt hat. Denn jetzt, wo die Regierung etwas "zusammenbringt", ist es ja auch nicht recht: Dass die Veränderungen "zu schnell" gingen (wie es die SPÖ gerne verbreitet), ist noch der mildeste Vorwurf - viele Österreicher haben erkannt, dass jede Veränderung sie höchst persönlich betrifft. Und dann ist das Ganze ja auch so umstritten! Dass um Inhalte der Politik und Wege ihrer Umsetzung kontroversiell debattiert werden kann, ist für Österreich an sich ungewohnt. Die meisten Medien verstärken die Verstörung darüber, indem sie jede Meinungsverschiedenheit zum "Streit" aufblasen. Dabei klagen zwei Drittel der Österreicher, dass sich der Umgangston in Österreich verschlechtert habe, 86 Prozent wünschen sich vom neuen Jahr eine Verbesserung des politischen Klimas. Klestil ist noch unbescheidener und wünscht, dass die Freund-Feind-Kategorien aus der Politik verschwinden, auch wenn sie noch so verführerisch erscheinen. Der Wunsch wird wohl nicht in Erfüllung gehen, aber wenn wenigstens die Sprache zivilisierter würde und die eine oder andere Unterstellung böser Absichten unterbliebe, wäre es schon ein Fortschritt.