Foto: Cremer
STANDARD: Die Budgetsanierung wird zu einem wesentlichen Teil durch eine Erhöhung der Staatseinnahmen bewerkstelligt. Wie beurteilen Sie das Vorhaben? Bruckner: Eigentlich bin ich ein bisschen enttäuscht von der Höhe der einnahmenseitigen Sanierung. Etwa 30 Milliarden Schilling werden einnahmenseitig aufgebracht, obwohl noch im August erklärt worden war, dass ausschließlich ausgabenseitig saniert werden soll. Das, was jetzt geschnürt wurde, ist ein saftiges Sparpaket, das an 1996 erinnert. 1996 war zwar mit 100 Milliarden einnahmenseitig größer, aber auch 30 Milliarden sind ein ordentliches Paket. STANDARD: In welcher Form wird die Wirtschaft zur Kasse gebeten? Bruckner: Etwa die Hälfte dieser 30 Milliarden kommen aus der Wirtschaft. Die zwei großen Brocken sind die Abschaffung des Investitionsbetrags mit etwa sechs Milliarden, gegen die steuerpolitisch grundsätzlich nichts einzuwenden ist - Investitionen müssen sich auch ohne steuerliche Förderung rentieren. Nur hätte ich mir gewünscht, dass man das Geld für etwas anderes aufwendet, nämlich für eine Reform der Gewinnbesteuerung. Jetzt hat man das Geld eben zur Budgetsanierung verwendet. Der zweite große Brocken ist die Kürzung der Anrechenbarkeit der Verlustvorträge auf 75 Prozent. Ein Viertel vom Gewinn muss so auf jeden Fall versteuert werden. Dazu gibt es noch die Einschränkung der Rückstellungen, die Verlängerung der Nutzungsdauer bei Gebäuden und ein paar kleinere Maßnahmen. STANDARD: Was davon belastet die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen? Bruckner: Vor allem die Sache mit den Verlustvorträgen ist für viele Unternehmen sicher unangenehm. Denken Sie nur an neu gegründete Unternehmen, die Steuer zahlen müssen, obwohl sie in Summe noch gar keinen Gewinn gemacht haben. Das ist ein Abfluss von Finanzmitteln, die für die weitere Entwicklung des Unternehmens gebraucht würden. Das betrachte ich schon etwas kritisch, wobei insgesamt gesehen der gravierendste Punkt die "Unverlässlichkeit" der Steuergesetzgebung ist, dass man dauernd einen Zickzackkurs fährt. Bis 1995 waren Verluste sieben Jahre voll ausgleichsfähig, 1996/97 wurden die Verlustvorträge komplett gestrichen. Seit '98 sind die Verluste unendlich vortragsfähig und 2001 wird wieder eingeschränkt. Das ist extrem problematisch. Unternehmen planen oft viele Jahre voraus und brauchen daher einen überschaubaren Rahmen. Wenn man praktisch jedes Jahr mit Änderungen der Steuerpolitik konfrontiert wird, ist das natürlich eine Katastrophe. Vielleicht hätte man anstelle der gesetzten Maßnahmen andere Wege finden können, beispielsweise einen Solidaritätszuschlag wie in Deutschland oder eine geringfügige Erhöhung der Mehrwertsteuer. STANDARD: Und Sie hoffen, dass nachher wieder Kontinuität eintreten wird? Bruckner: Ich hoffe, dass das der letzte Zickzacksprung in einer langen Reihe war. Auch die Änderungen bei den Stiftungen sind ein Vertrauensbruch des Gesetzgebers. STANDARD: Welche Folgen werden die neuen Regelungen nach sich ziehen? Bruckner: Die Streichung der Investitionsbegünstigungen wird durch Vorzieheffekte möglicherweise für ein, zwei Jahre zu einer Rücknahme von Investitionen führen. Die Kürzung der Verlustvorträge ist eine Liquiditätsbelastung. Wenn die Budgetsanierung gelingt, wovon ich persönlich ausgehe, egal ob das jetzt 2002 oder 2003 der Fall sein wird, dann sollte wirklich eine offensive Steuerreform kommen. Bisher haben wir immer defensiv agiert. Da würde ich mir dann entsprechende Entlastungen erwarten. STANDARD: Sie sind also davon überzeugt, dass die Budgetsanierung gelingt? Bruckner: Ausgabenseitig bin ich zu wenig informiert, aber ich hoffe, dass es sich ausgehen wird. Einnahmenseitig wird man die angepeilten 30 Mrd. S erreichen, auch wenn es ein paar kleine Unsicherheiten gibt, wie etwa die Erträge aus der Erbschaftssteuer. Bei der Übertragung von Liegenschaften gab es heuer gewaltige Vorzieheffekte. Das wird dem Finanzminister heuer vielleicht eine Milliarde zusätzlich bringen. Dafür wird's nächstes Jahr wohl nicht die kalkulierte Milliarde geben, sondern vielleicht nur die Hälfte. Aber das sind keine kriegsentscheidenden Dinge, plus/minus ein bis zwei Mrd. wird das Programm halten. STANDARD: Dafür haben wir auch eine einmalig hohe Staatsquote erreicht. Bruckner: Es ist sicher ein Problem, dass die Steuerquote einen echten Höhepunkt erreichen wird. Wenn das Nulldefizit erreicht ist, muss man daher unbedingt eine Steuerreform durchziehen, die die Steuerquote wieder absenkt. Allerdings ist die Quote auch nur bedingt aussagekräftig, weil sie durch einige Transfers verzerrt wird. Wir bringen beispielsweise einen Teil der Familientransfers über Steuern auf und verteilen sie dann wieder. Kinderabsetzbeträge gelten als negative Einkommenssteuerbeträge und mindern die Einkommenssteuer, was an sich statistisch richtig wäre. Beim Familienlastenausgleichsfonds ist es umgekehrt. Das Aufbringen ist in der Steuerquote drin, das Verteilen ist aber eine reine Transferzahlung und kürzt die Steuerquote nicht. Würde man den Flaf aus der Steuerquote herausnehmen, wäre diese gleich um ein Prozent niedriger. STANDARD: Kritiker sagen, Unternehmen und Reiche würden zu wenig zur Budgetsanierung beitragen müssen, während man die breite Masse zur Kasse bittet. Bruckner: Politisch war die Formel bisher, dass die Aufteilung etwa halbe-halbe auf Arbeitnehmer und die Wirtschaftsseite erfolgen sollte. Dieses Verhältnis ist im vorliegenden Paket realisiert, sodass es als ausgewogen betrachtet werden kann. Wenn man die Wirtschaft zu stark unter Druck setzt, dann wirkt das auch wieder auf die Arbeitnehmer zurück. Daher macht es nicht wirklich Sinn, wenn man die Wirtschaft stärker belastet. STANDARD: Wie müsste nach Ihrer Ansicht eine Reformoffensive der Zukunft aussehen? Bruckner: Was wir jetzt haben ist keine Reform, sondern ein Sparpaket, eine Geldbeschaffungsmaßnahme zur Budgetsanierung. Was man brauchen würde, ist eine Tarifsenkung. Hier könnte man sich die Deutschen zum Vorbild nehmen. Dort hat man gleich für fünf Jahre langfristig eine Steuersatzsenkung vorgegeben. In fünf Jahren sind die Deutschen mit dem Solidaritätszuschlag dann beim Endsteuersatz deutlich unter 50 Prozent. Auch die Holländer haben eine sehr gute Steuerreform gemacht, ebenso die Franzosen. Ich glaube, dass uns die europäischen Länder schon einiges vorgeben. Wir waren mit der KöSt von 34 Prozent sicher europaweit ganz gut, aber die anderen haben stark nachgezogen. (DER STANDARD, Printausgabe 3.1.2000)