Innenminister Ernst Strasser hat ein schwieriges Jahr hinter sich. Zu Beginn der schwarz-blauen Koalition war er mit Massendemonstrationen konfrontiert, dann kamen heftige Angriffe aus der FPÖ. Im Gespräch mit Katharina Krawagna-Pfeifer skizziert der Innenminister die Grundlinien seiner Politik. STANDARD: Sie wurden und werden immer wieder heftig vom Koalitionspartner wegen der Ermittlungen im Spitzelskandal angegriffen. Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit der FPÖ? Strasser: Die Zusammenarbeit funktioniert gut und friktionsfrei. STANDARD: Wie erklären Sie sich die scharfe Reaktion? Strasser: Es geht darum, dass ohne Ansehen der Personen und des Rangs ermittelt wird. Das ist ganz sicher eine Änderung der Unternehmenskultur, die vielleicht dem einen oder anderen in dieser Form noch nicht so ganz bewusst geworden ist. STANDARD: Ist die Suppe noch zu dünn, um Anklage erheben zu können? Strasser: Ich bin weder Suppenkoch noch der Suppenabschmecker noch der Suppenkaspar. Die Suppe haben der Staatsanwalt und der Untersuchungsrichter zu beurteilen. Wir ermitteln, wir spekulieren nicht. STANDARD: Sie haben als Innenminister im abgelaufenen Jahr zwei große Bewährungsproben zu bewältigen gehabt: den Spitzelskandal und die großen Demonstrationen zum Beginn der Regierungsbildung. Wie sehen Sie das im Rückblick? Strasser: Ich habe versucht, sowohl bei der Bewältigung der Kundgebungen in den ersten Wochen als auch bei der Datenaffäre eine klare, transparente, öffentlich nachvoll-ziehbare Linie zu fahren. Das hat auch dem Vertrauen in den Sicherheitsapparat, so glaube ich, genützt. STANDARD: Gab es in dieser Richtung Handlungsbedarf? Strasser: Ich glaube schon, und zwar vor allem in die Richtung, dass wir neben einer neuen Unternehmenskultur eine neue Führungskultur brauchen. Die Verantwortlichen haben klar und deutlich zu machen, dass Dinge wie "Wir werden uns das schon in unseren Bereich richten, und wir kehren das unter die Decke" einfach nicht möglich sind. Hier hat Transparenz zu herrschen, Mängel müssen klar aufgezeigt werden. Dinge, die gegen die Gesetze oder Dienstvorschriften gemacht werden, sind nicht zu tolerieren. Dieses klare Verständnis hat in der letzten Zeit gefehlt. Das Unrechtsbewusstsein hat gelitten. STANDARD: Man hatte manchmal den Eindruck, dass sich die Sicherheitsapparate verselbstständigen. Strasser: Aus meiner Sicht haben sich alle Sicherheitsapparate, auch militärische, dem demokratischen Rechtsstaat und dem Souverän zu unterwerfen. Sie sind Diener des Staates, und sie haben eine Dienstleistung zu bringen. Das ist die einzige Legitimation, etwas anderes gibt es nicht und wäre eine Fehlentwicklung. STANDARD: Gab es Ihrer Meinung nach hier Mängel in den vergangenen Jahren? Strasser: Ich glaube, dass große Fortschritte in den letzten Jahren passiert sind, auch schon vor Beginn meiner Ministerschaft. Vor allem im Selbstverständnis der Polizei und Gendarmerie bei den neuen Führungsverantwortlichen. Es ist viel bei der Aus-und Weiterbildung geschehen. Das alles muss aber auch gelebt werden, hier sind noch einige Schritte notwendig. STANDARD: In Zusammenhang mit dem Spitzelskandal war die öffentliche Wahrnehmung die, dass Sie phasenweise vom eigenen Parteiobmann und Bundeskanzler im Stich gelassen wurden. Strasser: Das Gegenteil ist der Fall. Wir haben im Detail sehr viel und sehr engen Kontakt in allen Phasen gehabt. Ich muss sagen, dass sich der Herr Bundeskanzler und auch die Frau Vizekanzlerin voll hinter meinen Grundsatz gestellt haben. Ich bin auch sehr dankbar dafür, dass diese Rückendeckung gegeben ist. STANDARD: Warum hat sich der Bundeskanzler in der Öffentlichkeit so spät geäußert? Strasser: Der Bundeskanzler hat Vertrauen in mich, und daher ist es nicht notwendig, dass er in jeder Sekunde einen Beitrag leisten muss. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 5.1.2001)