Die Grünen haben zurzeit, was man im Sport ein Momentum nennt: Sie können gar nichts falsch machen, es läuft wie von selber in ihre Richtung. Die Umfragen sehen die Grünen seit Wochen im Hoch, als Oppositionspartei hüpfen sie der SPÖ täglich vor, wie's geht, thematisch haben sie sogar mit dem allgemeinen BSE-Pech unverhofftes Glück. Und mit Alexander Van der Bellen haben sie einen Spitzenkandidaten, der die Rolle des guten Onkels bis zur Selbstpersiflage ausreizt. Ausgerechnet der bei seinem Amtsantritt als trocken verschrieene "Herr Professor" hat den Grünen das Flair einer lustvoll agierenden Truppe verpasst - ein Wunder, vor dem in der ZiB 2 am Mittwoch auch Moderator Roland Adrowitzer kapitulieren musste. Als der nämlich Van der Bellen streng fragte, was denn die grüne Basis zur Plünderung bürgerlicher Versatzstücke, als da wären Auftritte mit Blaskapellen und Fackelzüge im winterlichen Tann, zu sagen habe, reagierte Van der Bellen mit gelassener Jovialität. Man möge den jungen Leuten doch den Spaß lassen, und er habe überhaupt nichts gegen Blasmusik. So viel Schmäh ist sogar in Österreich verdächtig. Die Grünen können sich das leisten, weil sie Inhalte anbieten, die sich ausgezeichnet als Kontrastprogramm zum Regierungskurs verkaufen. Das Ökosteuer-Konzept, die Warnungen vor der industrialisierten Landwirtschaft, der Unverträglichkeitshinweis im Fall der Ministerwerdung des Haider-Anwaltes Dieter Böhmdorfer - das alles sind Antworten einer Oppositionspartei, die man sich ähnlich auch von der SPÖ gewünscht hätte. Aber eben nur hätte, an diesem Konjunktiv wird das Gegenprojekt einer rot-grünen Alternative so lange scheitern, bis sich die SPÖ zu einer Übersetzung in den Indikativ imstande sieht. Es ist unwahrscheinlich, dass dies bereits nach der Wiener Wahl geschieht. (DER STANDARD, Printausgabe, 12.Jänner 2001)