Wien - "Egal was ich jetzt sage, es ist falsch." Martin Brezovich kämpft mit jenem Problem, das irgendwann jeden Menschen einholt, der einem anderen erklären soll, wo "die Szene" oder "die Action" einer Stadt stattfindet. Zum einen, so der "Wien-Marketing"-Geschäftsführer - jene Firma, die für die Gemeinde Wien Massenevents wie den Silvesterpfad, den Eistraum am Rathausplatz oder das Filmfestival ebendort abwickelt -, sei das eine Definitionsfrage der beiden Begriffe. Zum anderen "tut sich in Wien mittlerweile einfach zu viel, um das so schnell runterbeten zu können". Denn neben dem unangezweifelten Ruf als Metropole der Hochkultur hat sich seit dem ersten Beislboom der 70er-Jahre, ausgehend vom Bermudadreieck, als Folge der Lokal- auch eine quicklebendige Club- und Party- und Eventszene entwickeln können, die abzudecken längst nicht nur alteingesessene Stadtzeitungen wie der Falter , sondern auch zahlreiche Internet-Partydienste (etwa www.party.at oder www.club.at ) versuchen: Von den Happysound-Studentclubs des Alexander Knechtsberger - alias "Doc LX" - bis zu obskuren HipHop-Festchen in den Kellern der Neubauer Siebensterngasse und nur durch Telefonketten weiterverratenen "illegalen" Technofesten irgendwo zwischen Wiener Neustadt und Gänserndorf spannt sich Nacht für Nacht ein Bogen, den komplett zu überblicken längst auch Profis überfordert. Keine Überlappungen Deshalb, gibt Brezovich zu, entgehe sogar ihm, dem professionellen Stadtvermarkter, beim Versuch, die größeren (Sommer-)Veranstaltungen der Stadt - etwa Summerstage, Tribüne Krieau oder Altes AKH - koordiniert zu bewerben, mitunter der eine oder andere Event. "Und wenn ich dann von Nachtleben spreche, müsste man auch definieren, ob ich jetzt die edlen Zimmerman-Clubber im Kursalon oder die New-Wave-Kids in der Arena meine. Da gibt es kaum Überlappungen." Dennoch, so der Großeventprofi, sei er im Grunde froh, dass sich das Problem der unbenennbaren Hot Spots im Freizeitsegment der Stadt auf diese Art stellt: "Wien belegt im internationalen Ranking der Lebensqualität großer Städte hinter Vancouver den zweiten Platz bei den so genannten ,weichen Stadtfaktoren', damit wird unter anderem auch jenes Freizeitangebot erfasst, das den Wienern gar nicht mehr auffällt, weil es so selbstverständlich ist." "Angesagte" Orte Auch Nathalie Brunner, Party-Rezensentin des Falters und als "Luna Luce" Societysirene bei FM4, stellt die Benamsung jener Orte, an denen Wien am angesagtesten ist, vor ein Problem: "Mich interessiert nicht der Ort, sondern vor allem das, was man an einem bestimmten Abend daraus macht." Derzeit - "und subjektiv" - wären für sie vor allem der Montagsclub "Hot Lotion" (Brunner: "Intelligente Popmusik und trotzdem Ekstase") im Gürtelbogenlokal B72 sowie der sonntägliche "Soulsugar" ("glamourös & gute Cocktails") im "Porgy und Bess" die interessantesten Orte der Stadt. Aber auch das - nach Ideen von Eichinger oder Knechtl - umgebaute Kinobuffet des Schikanederkinos, das Flex und die Meierei tauchen in Brunners Empfehlungsliste immer wieder auf. Freilich warnt die Partygeherin selbst: "Mich interessieren halt Groß-Raves, Schicki-Events, Studentenclubbings und andere Dinge überhaupt nicht." Aber auch in ihrem Ausgehkosmos, gibt Brunner zu, stimme, was Brezovich generell für das Freizeitverhalten der Wiener konstatiert: "Die Leute nehmen in Wien Dinge für selbstverständlich, die anderswo eine Sensation sind. Etwa Platz zum Tanzen und normale Eintrittspreise bei DJs von Weltformat, bei denen man in London oder New York kaum eine Chance hätte, in den Club zu kommen." (rott/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 13./14. Jänner 2001)