Wien - Schweigen ist nicht gerade die vordringlichste Eigenschaft von Jörg Haider. Und so übte er sich in der Kleinen Zeitung in Vergangenheitsbewältigung - und plauderte über die Entstehungsgeschichte der schwarz-blauen Koalition. Er habe, erzählte Haider, ÖVP-Obmann Wolfgang Schüssel drei Wochen nach der Nationalratswahl, am 28. Oktober 1999, das Angebot zur Kanzlerkür gemacht. Schüssel habe also "davon ausgehen können, dass er die Situation mit der SPÖ gründlich ausreizen kann". Die Strategie Schüssels sei mit Haider abgesprochen gewesen, sagt Haider. Dieses Bekenntnis ist Wasser auf die Mühlen der SPÖ, die die These vertritt, dass die ÖVP mit ihr nicht mehr als Scheinverhandlungen geführt habe. "Es gab zum Beispiel Ende Dezember eine sehr konstruktive Geheimverhandlung über das Budget mit Schüssel, Wilhelm Molterer, Viktor Klima und mir", erinnert sich der damalige Finanzminister Rudolf Edlinger im STANDARD-Gespräch. Was ihn dabei stutzig gemacht habe: "Am Abend dieses konstruktiven Gesprächs schüttet mich Minister Martin Bartenstein im Fernsehen an. Da habe ich dem Klima gesagt, die wollen gar nicht mit uns. So geht man mit langjährigen und möglichen neuen Partnern nicht um." Abgesehen von diesen damaligen Irritationen ist Edlinger im Nachhinein sicher: "In den fünf Tagen der Gespräche zwischen ÖVP und FPÖ lässt sich keine Koalition bilden. Die haben das zuvor ausgemacht." Bundeskanzler Wolfgang Schüssel wollte sich auf keine Geheimniskrämereien einlassen: "Die Verhandlungen mit der FPÖ haben begonnen, nachdem die mit der SPÖ gescheitert waren. Vorher gab es nur Sondierungsgespräche", betonte Schüssel. Und bemühte sich, das angebliche Haider-Angebot herunterzuspielen: "Es gab mehrmals öffentliche Angebote Haiders, auch schon im Sommer. Ich habe darauf nicht besonders reagiert." Ob es das Angebot im Oktober gegeben habe? - "Es gab nie Parallelverhandlungen." (eli) (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 17. 1. 2001)