Brüssel/Wien - "Wir wollen den Bundesstaat Belgien beenden", sagt Hilde De Lobel, eine der 22 Abgeordneten des rechtspopulistischen Vlaams Blok, im Regionalparlament von Flandern. - Insgesamt sitzen in dessen Brüsseler Plenarsaal aber 124 flämische Volksvertreter. Ministerpräsident Patrick Dewael hat also wohl Recht, wenn er sagt: "Für Separatisten gibt es in Flandern nur eine schmale Basis." Ganz anders aber für Regionalisten: Seit 1994 haben Belgiens Regionen - Flandern, Brüssel und die Wallonie - sich unter flämischer Führung umfangreiche Kompetenzen vom Zentralstaat erkämpft. Sie kümmern sich um Wirtschaft, Umwelt oder Soziales und dürfen eine eigene Außenpolitik betreiben. Am heutigen Freitag verhandeln die Teilstaaten nun mit dem Bund über die Modalitäten der Abtretung von Landwirtschafts-und Entwicklungspolitik. Im öffentlichen Leben erscheint Belgien fast wie ein loser Staatenbund: Die Parteien existieren nur in ihrer jeweiligen Region, die Medien sind nach Sprachen getrennt. "Beim Inhalt der Fernsehnachrichten gibt es große Unterschiede", stellt Ministerpräsident Dewael fest. - Außer vielleicht, wenn es um Belgiens koloniale Vergangenheit geht: Der Tod von Kongos Diktator Kabila war in allen Medien die Topmeldung. Flamen und Wallonen freuen sich auch gemeinsam, dass es Minister ihrer Regionalregierungen sein werden, die während der belgischen EU-Präsidentschaft im zweiten Halbjahr 2001 den europäischen Ministerräten für Bildung, Kultur, Industrie und Forschung vorsitzen - anstelle der Bundesregierung. Eine Premiere innerhalb der EU. Flandern selbst sieht sich als Lokomotive eines "Europas der Regionen". So werden die Flamen im Februar in Salzburg zusammen mit anderen "starken" Gliedstaaten wie Bayern und Katalonien eine Konferenz veranstalten, um die Regionalisierung der EU voranzutreiben. Nach Wien kommt Flanderns Regierungschef schon nächsten Mittwoch. Hauptgesprächsthema: die Wirtschaft. Der Außenhandel liegt nämlich schon in der Kompetenz der belgischen Regionen. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 19. 1. 2001)