Die fast vierzehnjährige Herrschaft der runderneuerten, aber nicht substanziell reformierten großen Koalition hat kein Ende des Proporzes gebracht. Was zu ihrem Sturz beigetragen hat. Sie würden das ändern, versprachen die Initiatoren von Schwarz-Blau. Und besetzten flugs den Aufsichtsrat der Rest-ÖIAG mit neuen Leuten. Die sind parteipolitisch ungebunden, wenngleich nicht unbedingt unabhängig. Man sollte es zugeben, argumentiert die Opposition: Blaustichig seien sie doch allesamt. Ob das nun richtig oder falsch ist: Im "Unternehmen Staat" sind die Parteien über die Wahlen Aktionäre des Betriebs. Da die Mehrheit die Manager bestimmt, haben Sozialdemokraten derzeit die schlechteren Karten. Und weil hinter den Aktionären wieder Funktionäre stehen, läuft sehr viel über die Prinzhorn-Connection. Weshalb beispielsweise die Papierindustrie ihren Einfluss dramatisch verstärkt hat. Der richtige Schluss wäre, bis auf die Grundversorgung (Wasser, Energie, Verkehr) so ziemlich alles zu entstaatlichen und gleichzeitig zu schauen, dass es weiterhin Wettbewerb geben kann (siehe die Einwände gegen den ORF, aber auch gegen die geplante Magazinfusion). Denn Monopolisten sind auf Dauer keine Freunde der Qualität. Genau die ist in Österreich in Gefahr. Weil wir drauf und dran sind, eine Quotenrepublik zu errichten. Nach der Formel: Wer mehrheitsfähig ist, kann und muss auch unabhängig sein. Großes Beispiel AUA und ÖIAG: Über Magazine, Ö3 und Krone brachte sich Niki Lauda, ohne Berücksichtigung seiner Managementfähigkeiten Niki Nazionale genannt, als neuer Fluglinienchef ins Gespräch. Und weil (zu?) viele Leute glauben, erworbene Popularität sei ein Beweis für Führungsstärke, würde man eine Rückkehr Laudas in ein wirtschaftliches Cockpit akzeptieren. Kleines Beispiel ORF-"Betrifft": Weil kein anderer Bischof oder Theologe genug Quote bringt, wird Kurt Krenn ins Studio geladen, um über die "Pille für Männer" zu reden. Dazu auch noch Günther Nenning, ehemaliger Sexperte und momentan Krone-Kolumnist, was ihn genauso hitverdächtig macht. Politisches Beispiel FPÖ: Kein Wunder, dass innerhalb und außerhalb der FPÖ Gerüchte kursieren, eine "TaxiOrange"-Figur (die dann dementiert) würde ganz vorne bei der Wiener Wahl kandidieren. Die meisten glauben an den Unfug, weil es andere Beispiele gibt: der Rennfahrer Ortlieb, die TV-Moderatorin Zierler. Unabhängigkeit hat diesen Leuten selbst Jörg Haider nie unterstellt, aber immerhin einen Hang zur politischen Qualität. Was sich im Blick auf die Praxis dieser Leute nicht bewahrheitet hat. Aber einen Mechanismus stärkt, der im Prinzip nichts Neues ist und seit der Demütigung des Karl Schranz in Sapporo ungebrochen weiterwirkt: die nationale Selbstbespiegelung, die religiöse Überhöhung der Sport- und Unterhaltungsgrößen. Dazu trat in den 90er-Jahren ein mediales Ranking, das die Publikumslieblinge als wichtig einstuft, Wissenschafter aber, so sie nicht gleichzeitig Ärzte oder Zeitungspolitologen sind, überhaupt auslässt. Veranstalter richten ihre Einladungspolitik nach diesen Listen aus, politische Parteien ihre Wahl- und Kandidatenwerbung. Reality-TV wird diesen Trend verstärken, es ist nur eine Frage der Zeit, bis der erste Insasse eines Fernseh-Containers in einer Wahlzelle aufliegt, um die Chancen seiner/ihrer Partei zu erhöhen. Umso mehr, als Chris oder Andrea auch nicht blöder sind als das Gros der Abgeordneten zum Nationalrat. Früher einmal musste man beim CV sein, um in der ÖVP was zu werden, oder in der Gewerkschaftsjugend, um in der SPÖ Karriere zu machen. Bald schon muss man eine Zeit lang im Kutscherhof geschlafen haben oder bei Karl Moik der Alpentrottel gewesen sein, um in der Politik zu reüssieren. Quote? Nicht nur. Gefragt ist vor allem: Haben Sie irgendwann irgendwen gut unterhalten? (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23. 1. 2001)