Wien - "Mit durchschnittlich 58 Jahren hat Österreich das niedrigste Pensionsantrittsalter, mit durchschnittlich 75 Prozent eine der höchsten Nettoersatzraten", skizziert der Arbeitsrechtler Theodor Tomandl im Standard-Gespräch Probleme des Pensionssystems. Er leitet eine Expertengruppe, die für das Sozialministerium über eine langfristige Sicherung der Pensionen nachdenken soll. Auch wenn Sozialminister Herbert Haupt für diese Legislaturperiode eine weitere Pensionsreform ausgeschlossen hat, zeigt sich Tomandl überzeugt, dass man sich mittelfristig "damit anfreunden muss, niedrige Erwartungen an das System zu haben". Im Klartext: Länger arbeiten - oder weniger Pension. Wenn es nach Tomandl geht, soll die Entscheidung darüber den Einzelnen überlassen bleiben: "Wenn wir ein versicherungs- mathematisch sinnvolles System mit Zu- und Abschlägen finden, muss man das gesetzliche Pensionsalter nicht unbedingt ändern." Ob es nach Tomandl geht, wird sich weisen: Die Arbeitsgruppe hat ihre Arbeit erst aufgenommen, kann frühestens in einem Jahr Vorschläge präsentieren. Neuerung teilinvalid Schneller werden die Reformpläne für die Invaliditätspension vorliegen. "Es gibt vermutlich zu viele Invalide in Österreich", formuliert Tomandl. Fast ein Drittel der neuen Direktpensionen seien Invaliditätspensionen. Daraus ergeben sich für ihn zwei Fragen. Erstens: "Was kann man tun, um die Invalidität zu verhindern oder zumindest zu verzögern?" Zweitens: "Welche Lösung kommt für die Invaliden in Betracht?" Für die zweite Frage hat Tomandl schon einen Antwortvorschlag parat: Derzeit gelte in Österreich das "Alles oder nichts"-Prinzip - entweder vollinvalid oder nicht invalid. Man solle überprüfen, ob nicht die Erfahrungen anderer Länder mit Teilinvalidität übernommen werden sollten: dass Teilinvalide eine niedrigere Invaliditätspension erhalten - daneben aber teilweise arbeiten beziehungsweise Arbeitslosengeld beziehen können. Wie viele das betreffen könnte, kann Tomandl nicht quantifizieren. Wobei er bei all seinen Überlegungen dazu sagt: "Wir sind nur die Experten, wir machen nur Vorschläge. Die Entscheidung trifft die Politik." (DER STANDARD Print-Ausgabe, 24. 1. 2001)