Vielleicht wurde der Wirbel um die Ablöse von Hans Sallmutter als Präsident des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger ja nur inszeniert, um von der tristen Bilanz einjähriger Koalitionsarbeit abzulenken. Darauf deutet die Konzeptlosigkeit der Aktion hin und eine Argumentation, die nicht einmal regierungsfreundliche Beobachter überzeugt. Die Inszenierer dieses Anschlages, mit dem ein Selbstverwaltungskörper - bewertet man die Tendenz der bisher vorgebrachten Wünsche - in einen Wurmfortsatz der Regierung, wenn nicht gar einer Partei, umgemodelt werden soll, haben ihre Argumentation jedenfalls nicht besonders gut aufeinander abgestimmt. Die einen wollen Sallmutter ablösen, weil er der Regierung kritisch gegenübersteht - was unter dem gegenwärtigen Regime immer häufiger als Delikt ausgelegt wird -, die anderen, weil er ein Versager wäre und nicht schon längst alle Probleme der Krankenkassen gelöst hätte. Als wäre das allein oder in erster Linie die Aufgabe des Präsidenten. Die einen halten den Hauptverband für überflüssig und wollen ihn auflösen, die anderen wollen ihn in eine Holding umbauen, mit einem "Experten" an der Spitze. Bei der Konsequenz dieser Regierung ist es eigentlich fast verwunderlich, dass sie den von ihr urplötzlich entdeckten Handlungsbedarf nicht gleich mit einer Selbstausschaltung des Hauptverbandes rechtfertigt. Ob derzeit eine Ablöse Sallmutters rechtlich überhaupt möglich ist, darüber hat sich, bevor man zum Halali blies, jedenfalls keiner den Kopf zerbrochen. Wozu auch? War doch ohnehin jedem der Beteiligten klar, dass mit der Abhalfterung einer Person an der Spitze des Hauptverbandes das gravierendste Problem der Sozialversicherung, das finanzielle, nicht zu lösen ist, sondern dass es dazu politischer Entscheidungen bedarf. Indes, so kopflos die Aktion vom Zaun gebrochen wurde, es ist doch System dahinter. Hinter der Attacke auf Sallmutter steckt nicht einfach der Wunsch, endlich auch in der Sozialversicherung Personalrochaden durchzuziehen, wie sie unter geänderten politischen Verhältnissen noch immer stattfanden, allem Geschwätz von der endlich nahenden Stunde politikfreier Experten zum Trotz. Für die Funktion des Hauptverbandspräsidenten dann ausgerechnet Reinhart Gaugg ins Spiel zu bringen, fällt unter das FPÖ-Motto: Uns ist nichts zu peinlich. Nicht nur peinlich, sondern in höchstem Maße bedenklich ist der Versuch, die demokratische Grundlage, auf der Sallmutters Präsidentschaft immerhin beruht, durch parteipolitische Antipathiebekundungen ersetzen zu wollen. Und derlei hat System. Die Beschickung der Selbstverwaltung erfolgt laut Gesetz aufgrund der Ergebnisse der Arbeiter- und Wirtschaftskammerwahlen, nicht nach den Launen der Vizekanzlerin. Da sich bei den letzten AK-Wahlen die schwache Position der FPÖ weiter verschlechterte, wäre die Oktroyierung eines Gauggs als Präsident eine gar zu freche Verhöhnung des demokratischen Rechtsstaates. Aus dieser Einsicht, nicht aus personalpolitischer Schamhaftigkeit dürften Jörg Haiders späte Krokodilstränen erflossen sein. Dass ÖVP-Funktionäre, die sonst immer den Rückzug des Staates fordern, bei all dem begeistert mitmachen, verwundert schon nicht mehr. (DER STANDARD, Print-Ausgabe, 27./28.1.2001)