Paris - Jean-Pierre Aumont, durch seine Eleganz wie seine Zivilcourage hervorstechender französischer Film- und Theaterschauspieler mit einer mehr als sechs Jahrzehnte umspannenden Karriere, ist am Dienstag hochbetagt im Alter von 90 Jahren in seinem Haus in Saint-Tropez in Südfrankreich an Herzversagen verstorben. In einem Communiqué unterstrich Frankreichs Premier Lionel Jospin nicht nur die Erinnerung an einen "hoch talentierten Schauspieler von diskreter Eleganz", sondern auch an einen ''Mann von Überzeugung und Mut", der an verschiedenen Fronten für die Befreiung Frankreichs von der NS-Besatzung engagiert war, Präsident Chirac in einem eigenen auch "die glanzvolle Eroberung von Hollywood und Broadway". Der 1911 in Paris als Jean-Pierre Philippe Salomons in einer Künstlerfamilie Geborene erlangte nach einer Ausbildung in der Truppe von Louis Jouvet durch die Hauptrolle des Ödipus in Jean Cocteaus "La Machine infernale" 1930 schon früh Bühnenprominenz. Unmittelbar darauf begann eine Filmkarriere, vorerst als groß gewachsener Blonder mit strahlendem Lächeln als eine Art Charmeur vom Dienst etwa in Marc Allégrets ''Lac des Dames'' oder Julien Duviviers ''Maria Chapdelaine'' (beide 1934), bald auch in zwei von Marcel Carnés Meisterwerken der Ära, ''Drôle de Drame'' (1937) und ''Hôtel du Nord'' (1938). Mit Einmarsch der deutschen Armee in Frankreich wechselte er über den Atlantik, wo er neben Charles Boyer einer der wenigen Franzosen war, die in Hollywood reüssierten. Auch dort sofort als der elegante "Jeune premier" beliebt, heiratete er 1943 einen der Topstars der Epoche, die aus der Dominikanischen Republik stammende Maria Montez. Primär stellte er sich allerdings in dieser Zeit wie Marlene Dietrich filmisch wie außerfilmisch in den Dienst des Propagandaapparats der Alliierten und lehnte 1944 einen Vertrag mit der Metro-Goldwyn-Mayer ab, um sich General de Gaulles Befreiungsarmee anzuschließen. Bei den Kämpfen in Algerien, Italien, der Landung in der Provence und den Kämpfen in den Vogesen war er dabei, wurde zweimal verwundet und in der Folge mit dem Ehrenkreuz ausgezeichnet. Nach dem Krieg entfaltete er eine ausgesprochen weit gespannte erfolgreiche Karriere, auf der Leinwand, auf den Fernsehschirmen wie auf den Bühnen von Frankreich wie den Vereinigten Staaten; als Darsteller, Autor und als Dramaturg. Die Tätigkeit für Film und Fernsehen - bei der Filmdatenbank IMDb sind mehr als 100 Rollen aufgelistet - war dabei zweifellos die leichtfüßigere: Bunte Exotismen wie "Song of Scheherazade" oder "Siren of Atlantis" Ende der Vierziger Jahre in Hollywood, eine Latte von Aristokratenrollen in großen Kostümfilmen, aber auch Rollen bei Truffaut ("Eine amerikanische Nacht"), Lelouch ("Eine Katze jagt die Maus"), und zuletzt Mitte der Neunziger Jahre in den James Ivory/Ismael Merchant-Werken "Jefferson in Paris" und "The Proprietor" und in einer Fernsehfassung des "Grafen vn Monte Christo". Der künstlerische Ehrgeiz seines eklektischen Talents floss eher in die Bühnentätigkeit: Mehr als zwei Jahre war er 1963 in New York Partner von Vivien Leigh als "Tovaritch", im London der siebziger und Achziger Jahre feierte er Erfolge in "Gigi", und die Zusammenarbeit mit Madeleine Renaud und Marguertie Duras in einer Bühnen- wie einer Filmversion von "Une journée entière dans les arbres" (1975) resultierte in einem Prix Cocteau für die Duras. Aumont schrieb selbst eine Reihe von Bühnenwerken ("l'Empereur de Chine", "l'Ile heureuse", "Un beau dimanche") sowie mehrere autobiographische Bücher ( "le Soleil et les ombres" 1976, "Il fait beau mais ne le répétez pas" 1981, "Dis-moi d'abord que tu m'aimes" 1986). Eine reiche Palette an Auszeichnungen folgte: Offizier der Ehrenlegion, der Nationale Verdienstorden, die Ernennung zum "Commandeur des Arts et des Lettres", schließlich 1991 der französische Filmpreis des César für sein Lebenswerk. Gewisse Cinemascope-Qualitäten zeichnen auch sein private Biographie aus: Nachdem Maria Montez 1951 nur 34-jährig an Herzversagen in einer heißen Badewanne verstorben war, heiratete Aumont 1956 die italienische Schauspielerin Marisa Pavan ("Die tätowierte Rose", "Der Mann im grauen Flanell"), Zwillingsschwester der als Verlobte von James Dean bekannten, 1971 durch Selbstmord verschiedenen Pier Angeli. 1963 ließen sich Aumont und Marisa Pavan scheiden, 1969 heirateten sie erneut. Jean-Pierre Aumont hinterläßt auch drei Kinder, darunter aus der Ehe mit Maria Montez die Schauspielerin Tina Aumont, eine der glamourösesten, aber auch karrieremäßig vertändeltsten Erscheinungen des europäischen Films der späten Sechziger und Siebziger Jahre. Schließlich läßt sich noch auch ein Österreich-Bezug herstellen: Mit Wiens größtem weiblichen Hollywood-Export Hedy Lamarr war Aumont vor seiner Ehe mit Maria Montez für einige Zeit verlobt. hcl