St. Pölten - Anlass war die Verzweiflungstat einer 18-jährigen Kremserin, die nach geheimgehaltener Schwangerschaft ihr Neugeborenes tötete. Nun folgte der Vorschlag der "anonymen Geburt", um zu Frauen und Mädchen in derlei Notsituationen künftig "besser Zugang zu finden" - wie der Leiter der niederösterreichischen Jugendwohlfahrt, Reinfried Gänger, das Ziel definiert. Diese könnte niederösterreichweit in acht Krankenhäusern bald schon möglich sein, als Alternative zur Kindesweglegung in "Babyklappen". Letztere würden - nach den Worten von VP-Landesgeschäftsführerin Johanna Mikl-Leitner - "in Niederösterreich nicht eingeführt". Im Unterschied zu Wien mit seinem vergangenen Herbst eröffneten "Babynest" im Wilhelminenspital sowie zu Oberösterreich und der Steiermark, wo entsprechende Vorarbeiten laufen. Weniger Abtreibungen? Laut Gänger überwiegen die Vorteile der Geburt ohne Weitergabe der mütterlichen Identität: "Frau und Kind können medizinisch und sozial umfassend betreut werden." Außerdem "könnten wir dann vielleicht mehr Frauen überzeugen, ihr Kind doch auf die Welt zu bringen" - mit Unterstützung vernetzter Beratung bei Schwangerschaftskonflikten und Zurverfügungstellen von Kinderkrankenschwestern. Ein für Frauenlandesrätin Christa Kranzl (SP) eher fraglicher Nebeneffekt: "Wie bitte soll den Frauen wirklich Anonymität zugesichert werden? Sobald ich ins Spital gehe, sind doch Sozialversicherung und Krankenkassen involviert." Die Modalitäten der "anonymen Geburt" werden derzeit auf Initiative von Familienlandesrätin Liese Prokop (VP) in einer ressortinternen Arbeitsgruppe diskutiert. Für das Frühjahr ist eine Enquete geplant. Auch auf Bundesebene müssten - laut Gänger - "eine Reihe gesetzlicher Änderungen stattfinden. Zum Beispiel im Personenstands-, Krankenanstalten- und Haftungsrecht." Babyklappe jetzt straffrei Eine weitere Voraussetzung - Strafrechtfreiheit für anonym gebärende oder Babyklappen nutzende Frauen - wurde am Donnerstag geschaffen: Der Nationalrat beschloss die Streichung des Strafrechtsparagraphen 197, der das "Verlassen eines Unmündigen" bisher mit bis zu drei Jahren Haft geahndet hatte. (DER STANDARD, Print-Ausgabe vom 2.2.2001)