Washington - Der größte Gletscher der Westantarktis wird nach Angaben britischer Forscher in etwa 600 Jahren komplett geschmolzen sein, falls der derzeitige Trend anhält. Die Folgen wären wesentlich dramatischer als beim gleichzeitigen Abschmelzen der arktischen Gletscher: Denn während diese größtenteils direkt den arktischen Ozean bedecken und somit bereits Teil des Meeres sind, liegen die antarktischen Gletscher auf festem Land. Ihre Substanz würde im Falle einer Schmelze das weltweite Wasservolumen erhöhen und dadurch den Meeresspiegel ansteigen lassen. Schmelze das gesamte Westantarktische Eisschild, dann könnte der Meeresspiegel allein dadurch um bis zu fünf Meter ansteigen. Im amerikanischen "Science"-Journal stellen die Wissenschafter neueste Messdaten vor, nach denen der Sockel des Pine Island Gletschers (PIG) zwischen 1992 und 1999 jährlich um 1,6 Meter abnahm. Das entspreche pro Jahr einem Verlust von vier Milliarden Tonnen Eis und einem Anstieg des weltweiten Meeresspiegels von jährlich 0,01 Millimeter. Die Abnahme des PIG-Eissockels war bis zu 150 Kilometer weit in das Innere des Pine Island Gletschers zu verfolgen, berichten Andrew Shepherd und Kollegen vom "Centre for Polar Observation and Modelling (CPOM)" des Universitätskollegs London. Da kein anderer Gletscher der Westantarktischen Eisplatte so viel Schmelzwasser in das Meer fließen lässt wie dieser, schenken die Wissenschafter dem Trend besonderes Augenmerk. Ihre Daten beziehen sie aus Satellitenmessungen von der Höhe des Gletschers und weiteren Daten über die Geschwindigkeit seiner Eisströme. Die Ergebnisse geben laut Shepherd auch zu erkennen, dass sich der Sockel des Gletschers nicht nur 1,6 Meter verdünnt hat, sondern allein zwischen 1992 und 1994 um fünf Kilometer Länge geschrumpft ist. Die neuen Entdeckungen schließen nach Überzeugung der britischen Wissenschaftler aus, dass der Verlust des Gletschereises Folge "einer kurzfristigen Veränderung des Schneefalls" ist. Vielmehr seien sie das Resultat eines veränderten Eisstroms innerhalb des Gletschers, betonen Shepherd und Kollegen. (APA/dpa)