Washington – Hypothesen darüber, wo das Leben entstanden sein könnte, hängen auch davon ab, für welche US-Behörde die Forscher arbeiten: Hatte vor kurzem die für alles Irdische zuständige National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) den Ursprung in der Erdatmosphäre vermutet, schlägt nun die mit dem Außerirdischen befasste Nasa zurück und findet die ersten Bausteine – lange vor Entstehung der Erde – im All.

In beiden Fällen geht es nicht um den Kern des Lebens – die erste sich selbst reproduzierende Einheit, das ist eine andere Streitfrage -, sondern um die Hülle, die Membran, in der sich die erste Reproduktion vollziehen konnte, gut geschützt vor Gefahren.

Dafür haben Nasa-Forscher nun unter simulierten Weltraumbedingungen eine Lösung gefunden: Sie haben einfache Chemikalien (Wasser, Methanol, Kohlenmonoxid) in extremem Vakuum und bei nahe absolut null hochenergetischer UV-Strahlung ausgesetzt, wie sie im All herrscht. Daraufhin bildeten sich spontan Strukturen, die wie Seifenblasen aussehen oder eben wie die Membranen, in die sich das irdische Leben seit seiner Geburt hüllt.

Diese Membranen könnten in großer Zahl im All herumfliegen und alle belebbaren Regionen "gesät" haben, unter ihnen die Erde. Dann hätte nur noch der Inhalt hineinfinden müssen. Er kann nicht im All entstanden sein, da die UV-Strahlung alles Leben zerstört.

Diese Schwierigkeit hat die Konkurrenz nicht: Laut NOAA sind die Membranen aus natürlichen Aerosolen entstanden, kleinen Teilchen – etwa in Zellgröße -, die sich aus verdunstendem Meerwasser in der Atmosphäre bildeten. Das tun sie auch heute, und sie haben nicht nur Membranen, sondern darin auch alle erdenklichen organischen Grundbausteine des Lebens in erstaunlich konzentrierter Form: Bis zu 50 Prozent ihres Inhalts bestehen daraus.

Dann braucht es nur noch Energie – Sonne -, und das Leben könnte entstehen. Allerdings hat auch diese Hypothese einen Haken: Die natürlichen Aerosole enthalten deshalb so viele organische Stoffe, weil es seit langem schon Leben gibt und dieses sich im Meerwasser in seine Bestandteile auflöst. Wo sie am Anfang hergekommen sein sollen, bleibt ungeklärt.(jl, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 3./4. 2. 2001).