Klagenfurt - Der Kärntner Landeshauptmann fordert den Rücktritt der gesamten Spitzenfunktionäre und leitenden Angestellten des Hauptverbandes der Österreichischen Sozialversicherungsträger mit Präsident Hans Sallmutter an der Spitze. Haider. Nach einem Rohbericht des Rechnungshofes befinde sich der Hauptverband und sein Funktionärssystem in einem "desaströsen Zustand", sagte Haider am Samstag. Der Rohbericht sei ein "einziges Belastungspapier gegen Sallmutter". Wie Haider betonte, seien laut Rohbericht die Zulagen und Leistungen für die Bediensteten in den vergangenen Jahren dramatisch gestiegen. Im Gegenzug dazu seien Milliardenabgänge zu verbuchen gewesen. Damit sei der Hauptverband in die Lage versetzt worden, den Pflichtaufgaben für die Krankenanstalten und die Versicherten nicht mehr ordentlich nachzukommen. Weiters seien die Verwaltungsausgaben deutlich stärker gestiegen als die Beitragszahlungen, kritisierte der Kärntner Landeshauptmann. Für Sallmutter und seine Funktionäre stelle sich der Rohbericht somit als einziges Belastungspapier dar. Das System Sallmutters im Hauptverband erinnere an die Schlussphase der ehemaligen DDR und UdSSR, sagte Haider, der in diesem Zusammenhang für das Krankenkassensystem endlich "Glasnost und Perestroika" fordert. Sallmutter habe "eine Art Casino errichtet, wo am milliardenschweren Rouletttisch des Hauptverbandes Geld für einen nicht nachvollziehbaren Verwaltungsaufwand statt für das Gesundheitssystem eingesetzt" worden sei. Khol-Absage an Haider-Forderung ÖVP-Klubobmann Andreas Khol schloss sich am Samstag der Forderung des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider nach Rücktritt aller Spitzenfunktionäre des Hauptverbands der Sozialversicherungen nicht an. Gegenüber dem ORF-Hörfunk betonte Khol, der Rechnungshofbericht liege noch nicht vor. Was man daraus wisse, bestätige aber die Notwendigkeit von Reformen im Hauptverband. Zuerst müsse jedoch über neue Strukturen nachgedacht werden, und erst dann über Köpfe. Heftige Kritik der SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Kritik an der Forderung des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider (F), alle Spitzenfunktionäre und leitenden Angestellten im Hauptverband der Sozialversicherungen abzulösen, übte am Samstag SPÖ-Bundesgeschäftsführerin Doris Bures in einer Aussendung. "Das ist die Forderung eines machtbesessenen Altparteiobmanns, der überhaupt keinen Respekt vor der demokratisch legitimierten Selbstverwaltung in der Sozialversicherung zeigt. Haiders Politikverständnis zeigt deutlich autoritäre Züge", so Bures. Der Rohbericht des Rechnungshofes, mit dem Haider seine Forderung begründe, biete überhaupt keine Rechtfertigung für einen solchen Schritt. "Der FPÖ ist jedes Mittel recht, um Institutionen, auf die sie keinen direkten Zugriff haben, zu schädigen", sagte Bures. Sallmutter weist Haider-Vorwürfe zurück Der Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger und damit die gesamte österreichische Sozialversicherung hätte im Handstreich in den direkten FPÖ- und ÖVP-Einflussbereich gebracht werden sollen, erklärte der vor der Ablöse stehende Präsident des Hauptverbands, Hans Sallmutter, am Samstag. Dieser Versuch scheine "missglückt". "Dass dies für einen ehemaligen Parteiführer nur schwer verkraftbar ist, kann ich mir vorstellen", so Sallmutter in einer Aussendung. "Dass dann jemand seinen Schmerz mit solch extremen Beschuldigungen gegen die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter, das heißt gegen die Sozialpartner und gegen die leitenden Angestellten ausdrückt", mache aber schon nachdenklich. Die Vorwürfe des Kärntner Landeshauptmannes Jörg Haider (F) gegen den Hauptverband seien "haltlos" und daher zurückzuweisen. Der Rechnungshof habe in seinem unveröffentlichten Rohbericht festgestellt, dass sich die freiwilligen sozialen Zuwendungen aller Sozialversicherungsträger für ihre heute insgesamt 29.000 Bediensteten im Berichtszeitraum 1995 bis 1999 um 4,15 Prozent angestiegen seien. In absoluten Zahlen heiße das für das Jahr 1995 Aufwendungen von rund 276 Mill. Schilling und für das Jahr 1999 von rund 287 Mill. Schilling. "Um die richtige Dimension herzustellen: Das Jahresbudget (2001) beträgt 480 Mrd. Schilling", so Sallmutter. Die Zahl der außerordentlichen Vorrückungen sei von 499 im Jahre 1995 auf 97 im Jahre 1999 gesunken. Im Hauptverband selbst habe es zuletzt 1995 außerordentliche elf Vorrückungen gegeben, seither keine einzige. Die Zahl der Empfänger von Leitungs- und Funktionszulagen sei im Berichtszeitraum (1995 bis 1999) von 1.620 auf 1.583 gesunken. 1995 habe es in allen Versicherungen 386 einmaligen Belohnungen gegeben, 1996 insgesamt 54, 1997 insgesamt 47, 1998 insgesamt 138 und 1999 insgesamt 405. Jeder Unternehmer wisse um die Wichtigkeit dieses Führungsinstruments. Der Verwaltungsaufwand in der österreichischen Sozialversicherung habe im Jahr 1999 insgesamt rund 11,4 Mrd. Schilling, also 2,6 Prozent, davon in der gesetzlichen Krankenversicherung 4,9 Mrd. Schilling bzw. 3,7 Prozent betragen. Zwischen 1995 und 1999 sei der Verwaltungsaufwand in der gesamten Sozialversicherung von 2,9 auf 2,6 Prozent gesunken und in der Krankenversicherung von 4,0 auf 3,7 Prozent. Im internationalen Vergleich sei der Verwaltungsaufwand dank dem österreichischen System der Pflichtversicherung "konkurrenzlos niedrig". Gesetzlich seien die Verwaltungsaufwendungen bis 2003 auf das betragsmäßige Niveau von 1999 eingefroren worden, was eine Kürzung von mehr als 20 Prozent bedeute. Die Gesamtaufwendungen der sozialen Krankenversicherung belaufe sich im Jahr 2000 auf rund 140 Mrd. Schilling. Das Kassendefizit habe sich im Jahr 1999 auf 3,6 Mrd. Schilling belaufen und werde für das Jahr 2000 voraussichtlich zwischen vier und fünf Mrd. Schilling ausmachen. "Wir ersuchen daher die Öffentlichkeit, den Versuch des Kärntner Landeshauptmanns, die Zulagen und Leistungen an die Bediensteten in der Sozialversicherung als Ursache der schwierigen Finanzsituation der Krankenkassen und für das Versagen der Hauptverbandverantwortlichen darzustellen, entsprechend zu werten", so Sallmutter. (APA)