Wien - SPÖ-Vorsitzender Alfred Gusenbauer hat Sonntag in der Fernseh-"Pressestunde" die Regierung zu Reformen statt Köpferollen aufgefordert. Die "permanente Art von Menschenjagd, wie sie von anderen Parteien inszeniert wird, ist nicht der richtige Weg". Angesichts der Fleischkrise machte Gusenbauer keine Rücktrittsaufforderung an Landwirtschaftsminister Wilhelm Molterer im Sinne einer klassischen Oppositionspolitik, sondern bot ihm eine Partnerschaft zur Reform an. Er selbst werde jedenfalls Spitzenkandidat für die Nationalratswahl 2003 sein und zuvor ein Schattenkabinett, das in Wirklichkeit "ein Kabinett des Lichts" sein werde, präsentieren. Für die Wien-Wahl sieht Gusenbauer als Schlüsselfrage, dass die SPÖ stärker werde. Es sei sowohl eine Koalition mit ÖVP als auch mit Grünen möglich. Keine Zusammenarbeit werde es mit der FPÖ in Wien geben. Gusenbauer hielt der Regierung vor, zahlreiche Belastungsmaßnahmen gesetzt, gleichzeitig Strukturreformen versäumt zu haben. Ohne Belastungspolitik wäre ein ausgeglichenes Budget auch spätestens 2004 möglich gewesen. Jedenfalls sei jetzt die "Stunde der Opposition". Für die Nationalratswahl 2003 werde entscheidend sein, dass die SPÖ am stärksten abschneide und es keine Mehrheit für ÖVP und FPÖ gebe. Andernfalls werde der katastrophale Kurs der Regierung auch nach 2003 fortgesetzt. Kritik von Regierung und Grünen Kritik gab es erwartungsgemäß von FPÖ und ÖVP, während sich die Grünen enttäuscht über zu "zahme" Aussagen des SP-Chefs äußerten. ÖVP-Generalsekretärin Maria Rauch-Kallat warf Gusenbauer Ahnungslosigkeit vor. Im Landwirtschaftsbereich habe der SP-Vorsitzende einen inhaltslosen Kampagnencharakter an den Tag gelegt. Angesichts des tatsächlichen Biobauernanteils in Österreich von zehn Prozent sei die Forderung nach Erhöhung von 20 auf 40 Prozent skurril. Außerdem stimme es nicht, wenn der SP-Chef behaupte, dass kein Geld für Forschung und Entwicklung zur Verfügung stehe. In Wahrheit würden hier sieben Milliarden Schilling bereitgestellt. FPÖ-Generalsekretärin Theresia Zierler meinte, Gusebauers Programm bestehe aus Diffamierungen und Halbwahrheiten. Unverändert hoch sei nach wie vor das Maß an Scheinheilichkeit in der SPÖ. Ein echtes Horrorszenario sei die von Gusenbauer in den Raum gestellte rot-grüne Alternative. Die Forderung nach Ablöse von Hauptverbands-Präsident Hans Sallmutter sei legitim und habe nichts mit Machtrausch zu tun. Die Wiener FP-Spitzenkandidatin Helene Partik-Pable meinte, Gusenbauers Ankündigungen ließen für die Wien-Wahl nichts Gutes erwarten. Der Grüne Sozialsprecher zeigte sich höchst irritiert, dass Gusenbauer die autoritären Durchgriffe der Regierung fast völlig verschwiegen habe und auch in seiner Kritik an Blau-Schwarz äußerst zahm geblieben sei. Seine Vorschläge zur Bewältigung der Schweineaffäre seien wenig glaubwürdig, so lange Gusenbauer nicht die schweren Versäumnisse der SPÖ-Ministerinnen Christa Kramer und Barbara Prammer im Konsumentenschutz einbekenne. (APA)