Halle - Spanien und das künftige EU-Mitgliedsland Polen sind nach einer Modell-Rechnung des deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) die Gewinner der beschlossenen Stimmen-Neugewichtung im Ministerrat der Europäischen Union. Nach IWH-Angaben vom Dienstag werden die beiden Länder am meisten von den neuen Stimmenverhältnissen im EU-Ministerrat profitieren. Zudem erhielten sie deutlich mehr Geld aus dem EU-Strukturfonds als nach der derzeitigen Stimmen-Verteilung. Das IWH-Modell beruht auf der Annahme, dass die Chancen eines EU- Mitglieds auf Geld abhängig sind von dessen Stimm-Gewicht im Ministerrat und von der Chance möglicher Abstimmungs-Bündnisse. Durch die Neugewichtung der Stimmen bekommen die Beitrittsländer aus Mittel- und Osteuropa nach IWH-Einschätzung insgesamt weniger Geld. Die Wissenschaftler erwarten durchschnittlich 20 Prozent weniger Strukturhilfen als nach der bisherigen Regelung. Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten sich im Dezember in Nizza auf einen neuen Unions-Vertrag geeinigt, in dem der Beitritt von mindestens zehn Ländern Mittel- und Osteuropas sowie Maltas und Zyperns vorgesehen ist. Durch eine neue Gewichtung der Stimmen im EU-Ministerrat erhalten die bevölkerungsreichen Mitgliedsländer einen größeren Einfluss bei Entscheidungen. Die momentane Stimmenanzahl wird verdoppelt, je nach Bevölkerungsgröße erhalten die meisten einen Stimmen-Aufschlag. Nur Staaten mit sehr wenigen Einwohnern bekommen diesen "Bonus" nicht. Zwei IWH-Wissenschaftler stellten in einem Modell die neuen Stimmenverhältnisse im EU-Ministerrat nach und errechneten die relative Verhandlungsmacht der Mitgliedsländer. Es wurde auch die Wahrscheinlichkeit berücksichtigt, mit der sich ein Land an einer Koalition beteiligt und ihr zu einem Abstimmungssieg verhilft. Bei der ersten Stufe der EU-Erweiterung um Polen, Tschechien, Ungarn, Slowenien und Estland werden die Transfer-Zahlungen für die neuen Mitglieder nach dem IWH-Modell im Durchschnitt um ein Fünftel sinken. Nur Polen könne durch das neue Stimmenverhältnis mit 55 Prozent mehr Strukturhilfen rechnen. Auch das EU-Mitgliedsland Spanien wird auf deutlich mehr Hilfen hoffen können. Slowenien und Estland dagegen würden durch die veränderten Verhandlungs-Verhältnisse zwei Drittel weniger Geld erhalten. An Tschechien und Ungarn werde etwa ein Achtel weniger Hilfen zahlen. Für die zweite Beitrittsrunde erwarten die IWH-Wissenschaftler ebenfalls einen Rückgang der Zahlungen für die neuen EU-Staaten um 20 Prozent. Lettland werde etwa zwei Drittel weniger Hilfen bekommen als nach dem früher geplanten Stimm-gewicht. Für Rumänien, die Slowakei und Litauen erwarten die IWH- Wissenschaftler eine Verringerung um ein Sechstel. Die Transfer- Zahlungen an Bulgarien würden dagegen nur um sechs Prozent sinken. (APA/dpa)